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Wie keiner sonst / ebook (German Edition)

Wie keiner sonst / ebook (German Edition)

Titel: Wie keiner sonst / ebook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas T. Bengtsson
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    »Ja, mein kleiner Freund, es ist nur Theater.« Sie schaut in den Spiegel und zündet sich eine Zigarette an.
    »Na, was meinst du, sollen wir gehen?«
    Ich nicke. »Nur Theater«, wiederholt sie für sich und legt ihr Schminkzeug zurecht.
    »Die anderen sind Arschlöcher.« Sie wischt die verlaufene Schminke ab. Ihre Hände arbeiten wie von selbst. »Wie die meisten Schauspieler, da kann man nichts machen.« Sie taucht ein Stück Watte in einen Topf, entfernt Schicht für Schicht, zeigt kurz nackte Haut, bevor sie die nächste Schicht aufträgt. Sie träufelt eine bläuliche Flüssigkeit in ihre Augen und blinzelt ein paar Mal. Dann lächelt sie ihr Spiegelbild an und dreht sich zu mir um. In der kurzen Zeit hat sie ein völlig neues Gesicht bekommen, ohne eine Spur von Tränen.
    Ich sitze in der dritten Reihe, Margrethe wollte mich gern im Saal sehen.
    Bei den ersten Malen hat mein Vater um eine Eintrittskarte für mich gebeten, inzwischen wissen wir, dass dies nicht nötig ist.
    Der erste Akt ist langweilig und dauert ewig. Die Schauspieler lächeln, trinken Tee und schauen über ein Feld, das irgendwo vor der Bühne liegt. Am Ende streiten sie ein bisschen, gebrauchen aber immer noch schöne und kluge Worte, obwohl sie wild gestikulieren.
    Sara heißt Olga in dem Stück. Das Rampenlicht betont sie von Mal zu Mal besser.
    In der Pause trinke ich Zitronenlimonade, ich brauche mich nicht an der Bar anzustellen.
    »Ist der kleine Junge da allein im Theater?«, fragt jemand, und ich tue, als hätte ich nichts gehört.
    Nach der Pause sind die Wände dunkelgrau und schmuddelig. Jetzt haben sie alles verloren. Der Tisch in der Mitte ist versaut, der Boden sieht aus, als wären tausend dreckige Stiefel darübergetrampelt. Die Familie wohnt jetzt in einem Keller. Die Schauspieler sehen arm und traurig aus, aber ich glaube ihnen nicht, sie verstecken zu viele Kilo unter den weiten Kostümen. Sara ist die Einzige, die aussieht, als hätte sie schon einmal hungern müssen. Wenn sie auf dem schäbigen Bett sitzt und leise schluchzt, will ich auf die Bühne klettern und sie in die Arme nehmen.
    Ich trinke Saft, mein Vater spielt Billard, und alle Schauspieler kommen zu mir und klopfen mir auf die Schulter. Kim und Margrethe sitzen am Ende des Tisches, nach der Vorstellung sind sie Arm in Arm die Straße entlanggegangen. Jetzt sehen sie aus wie alte Freunde. Kim sagt etwas, das Margrethe zum Lachen bringt. Sie hält die Hand vor den Mund, er breitet ein Kartenspiel vor ihr aus.
    »Das hast du prima gemacht heute«, sagt Sara zu mir. »Schauspieler trinken viel, wenn es gut gelaufen ist«, sagt sie. »Dann feiern sie. Aber wenn sie vor leeren Sälen spielen, wie wir jetzt, dann trinken sie noch mehr und schimpfen und schreien einander an.«
    Mit einem lauten »Klack« stößt mein Vater eine Billardkugel an, die eine andere trifft. Sara schaut an die Decke, ich folge ihrem Blick.
    »Ich hätte in einem Schuhladen arbeiten sollen«, sagt sie. »Schnürsenkel verkaufen und den Leuten auf die Schuhspitzen drücken, wenn sie nicht sicher sind, ob die Schuhe passen.«
    Sie schüttelt sich, lächelt und schaut meinen Vater von hinten an. Er lehnt sich über den Billardtisch und stößt eine weitere Kugel an, ich höre, wie sie an die Bande prallt, und bin fast sicher, dass er sie einlocht.
    »Glaubst du, er wird gewinnen?«, fragt Sara.
    »Ja«, antworte ich.

W ir ziehen in eine Wohnung ein paar Etagen tiefer. Der alte Mann, der dort wohnte, ist gestorben, sie haben ihn in seinem Sessel gefunden. Neben ihm stand ein randvoller Aschenbecher. Der Hausmeister sagt, er habe nur noch dort gesessen und eine Zigarette nach der anderen geraucht, seit dem Tod seiner Frau. Einmal pro Woche sei ein Bote vom Kaufmann mit einer Packung Knäckebrot und vier Stangen Zigaretten gekommen. Ich glaube, der Hausmeister übertreibt, bis ich die Wohnung sehe. Alle Möbel sind mit Brandflecken übersät. Die Wände sind gelb, und es riecht so stark nach Rauch, dass einem die Augen brennen. »Wir hatten Angst, dass er eines Tages mit einer brennenden Zigarette einschlafen und das Haus in Brand setzen würde«, sagt der Hausmeister.
    Wir lassen die Fenster zwei Tage lang offen stehen, tragen Jacken in der Wohnung und sogar im Bett. Noch immer riecht es nach Nikotin. Mein Vater verteilt eine Packung Kaffee auf drei Teller, stellt einen auf den Küchentisch, einen auf die Fensterbank und einen in den Flur. Ein alter Immobilienmakler-Trick, wenn sie

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