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Wie Krähen im Nebel

Wie Krähen im Nebel

Titel: Wie Krähen im Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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Bratrohr.
    «Und? Hast du ihn erreicht?», fragte Guerrini.
    Sein Vater stippte den Finger in die Sauce und leckte ihn ab.
    «Sì!»
, murmelte er. «Ja, ich hab ihn erwischt. Er ist noch ganz klar im Kopf, der alte Gauner. Bin sicher, dass er damals mit der Camorra oder der Mafia zusammengearbeitet hat, deshalb lief jahrelang alles so gut mit unseren Keramikgeschäften nach Amerika!» Er grinste und warf einen Seitenblick auf Guerrini, der sich jedoch nicht provozieren ließ.
    «Ich warte auf die traurige Geschichte!», sagte Guerrini und dachte, dass sich der Augenblick der Nähe schon wieder davongemacht hatte.
    «Ach so, natürlich. Der Conte war ganz durcheinander, weil sein Lieblingsenkel beim Segeln ertrunken ist. Immer wieder sagte er: Das Boot haben sie gefunden, aber er warnicht mehr drauf. Ich hab ihm hundertmal gesagt, dass er nicht allein segeln soll. Aber er ist immer raus, wenn Stürme angesagt wurden! Immer nur dann! – Tragisch, nicht?»
    Guerrini erinnerte sich dunkel an eine Zeitungsmeldung über den vermissten jungen Segler. Irgendwann im Oktober war das gewesen.
    «Hat man die Leiche gefunden?», fragte er.
    «Nein, Commissario!» Die Stimme seines Vaters klang ironisch. «Willst du jetzt ermitteln? Ein neuer Fall? Liegt aber außerhalb deines Zuständigkeitsgebiets, denn der junge Mann war aus Florenz, und ersoffen ist er irgendwo zwischen Livorno und Elba. Na ja, es muss ein schlimmer Schlag für den alten Conte gewesen sein.» Er trug die Kasserolle zum Tisch hinüber und schnitt frisches Weißbrot in dicke Scheiben.
    «Komm, setz dich her! Lass uns essen, solange die Vögel warm sind und solange dieses Land noch existiert! Wer weiß, was noch passieren wird! Wir haben einen Ministerpräsidenten, der sich liften lässt und singt! Und außerdem eine Ansammlung von Irren im Parlament!»
    «War das jemals anders?», fragte Guerrini lächelnd.
    «Ja!», rief der alte Fernando und richtete seinen Rücken wieder gerade. «Bei den Partisanen war es anders! Und ich erinnere mich nicht daran, dass Aldo Moro gesungen hat!»
     
    «Tja», sagte Andreas Havel und betrachtete die Innenfläche seiner linken Hand, als könnte er daraus die Zukunft lesen. «Die Fingerabdrücke des jungen Mannes, der neben den Gleisen gelegen hat, sind auf der Waffe. Es scheint dir nicht zu gefallen, Laura – aber ich kann nichts daran ändern.»
    «Woraus schließt du, dass es mir nicht gefällt?» Laura Gottberg malte Kreise auf ein Blatt Papier, das in der Mitte ihres Schreibtischs lag.
    «Atmosphärisch!», murmelte der Kriminaltechniker.
    «Hmhm – atmosphärisch», wiederholte Laura, fasste die Kreise mit schwarzen Zacken ein. «Ich begreife nur nicht, warum er kurz vor dem Bahnhof aus dem Zug springen sollte, wenn er kurz darauf ganz normal aussteigen kann. Ich finde es vollkommen unlogisch. Denkt doch mal nach!» Sie wandte sich Havel und Peter Baumann zu. «Würde einer von euch aus dem Zug springen, wenn die Leiche noch nicht mal entdeckt wäre? Würdet ihr nicht eher warten, bis der Zug hält, aussteigen und gemütlich weggehen?»
    «Ja, schon!», murmelte Baumann. «Wenn keiner hinter mir her wäre, dann würde ich das tun. Aber wir wissen nicht, was sich im Zug abgespielt hat.»
    Laura lehnte sich zurück und schloss kurz die Augen.
    «Stellen wir uns das absurdeste Szenario vor. Dann müssten zwei Mörder hinter der Frau her gewesen sein. Einer brachte sie um, der zweite versuchte den ersten um die Ecke zu bringen.»
    Andreas Havel hustete leise. «Also, wenn ich dem Atmosphärischen folge, dann könnte ich mir noch ein paar andere Möglichkeiten vorstellen. Zum Beispiel, dass der junge Unbekannte die Leiche entdeckte oder jemanden beobachtet hat, der Ungewöhnliches tat. Dieser unfreundliche Mensch könnte dann den jungen Mann aus dem Zug geworfen haben – möglicherweise sogar die Pistole in seine Finger gedrückt haben, um sie später zwischen die Gleise zu werfen. Es gibt ja alle möglichen kreativen Einfälle – und wir alle wissen das, nicht wahr?»
    Peter Baumann seufzte laut auf. «Ich hätte es nicht besser ausdrücken können, Kollege!»
    «Ach, lasst doch euer Geplänkel!», stöhnte Laura. «Die Situation ist also unklar. Wir haben einen Verdächtigen, der sich an nichts erinnern kann – nicht mal an sich selbst. Undsonst nichts. Es bleibt uns deshalb nichts anderes übrig, als auf Informationen unserer italienischen Kollegen zu warten. Foto und Fingerabdrücke der Toten sind nach Florenz

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