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Wie Krähen im Nebel

Wie Krähen im Nebel

Titel: Wie Krähen im Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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Mann verhaftet, einen Südtiroler. Er saß jetzt im Gefängnis von Mantua in Untersuchungshaft. Er hatte angeblich einen Streit mit der Frau gehabt.
    Mantua, dachte Laura. Welch ein seltsamer Zufall. Andreas Hofer, der Tiroler Rebell, war in Mantua eingesperrt worden.
    Was hatte ihr Vater stets theatralisch-scherzhaft gesungen, wenn sie auf der Autostrada an Mantua vorüberfuhren?   … Zu Mantua in Banden   … Ganz konnte er das Andreas-Hofer-Lied nicht singen. Laura lächelte. Sie musste Vater besuchen. Er wartete auf sie, obwohl er es leugnete.
    Müde hatte er heute am Telefon geklungen. Die Müdigkeit mit einer langen Nacht im Gespräch mit seiner neuen Nachbarin, der Jurastudentin, begründet. Vielleicht stimmte es ja. Laura hoffte es. Vater brauchte Menschen, mit denen er sprechen konnte. Junge, lebendige Menschen, nicht die vergreisten Kollegen von früher, über die er ständig schimpfte. Seine besten Freunde waren gestorben – nicht einer war übrig geblieben.
    Laura bremste scharf vor der roten Ampel am Max-Weber-Platz, schüttelte leicht den Kopf, um in die Gegenwart zurückzukehren. Sie kannte die Gefahren der Übermüdung – das Gehirn machte sich dann selbständig und hing allen möglichen Assoziationen nach. Von einem Untersuchungshäftling in Mantua zu Andreas Hofer und dem alten Gottberg, der einst halbe Rebellenballaden sang und gestern mit seiner Nachbarin Lasagne aß, weil er so einsam war. Laura beschloss, nach dem Besuch im Krankenhaus zu ihrem Vater zu fahren und nicht bis morgen zu warten. Sofia wollte am Abend mit einer Freundin lernen, und Luca hatte Training.
    Wieso eigentlich schon wieder, dachte Laura. Inzwischen trainiert er viermal die Woche. Irgendetwas stimmt da nicht!
    Sie hielt vor dem Eingang zum Krankenhaus und heftete den Ausweis an die Windschutzscheibe, der ihr erlaubte, ihr Auto überall abzustellen. Inzwischen hatte sie keine Mühe mehr, ihren Weg durch das Labyrinth der Gänge und Stockwerke zu finden, doch als sie die Intensivstation erreichte, erklärte die Oberschwester, dass der junge Unbekannte auf die neurologische Station verlegt worden sei.
    «Es besteht keine Lebensgefahr. Er ist wach, ansprechbar und kann essen. Zimmer 201, dritter Stock.»
    «Hat er irgendwas gesagt? Ich meine, wer er ist oder woran er sich erinnert?», fragte Laura.
    «Soviel ich weiß nicht. Dr.   Standhaft sagte etwas von einer globalen Amnesie und einem sehr interessanten Fall. Aber sprechen Sie doch mit dem Oberarzt der Neurologie – der ist Fachmann für Amnesien. Das war immer schon sein Hobby! Er heißt Libermann, Dr.   Libermann!»
    Laura bedankte sich und nahm den Lift. Gemeinsam mit einem bleichen jungen Mann im Bademantel, der von einer Infusionsflasche auf Rädern begleitet wurde, fuhr sie in den dritten Stock hinunter. Ehe sie den Aufzug verließ, nickte sie dem jungen Mann zu, doch der starrte an ihr vorbei.
    Im Zimmer 201 lag neben dem jungen Mann nur ein zweiter Patient. Er trug einen Verband um seinen Kopf, und sein Gesicht war wachsweiß. Er beachtete Laura nicht.
    Der junge Unbekannte lag halb auf der Seite, wandte dem anderen seinen Rücken zu und schaute aus dem Fenster. Das Hämatom in seinem Gesicht hatte sich in den letzten Tagen grüngelb verfärbt und begann zu verblassen. Als Laura am Fußende seines Bettes auftauchte, drehte er seinen Kopf und betrachtete sie mit zusammengekniffenen Augen.
    «Ciao», sagte Laura leise. «Wahrscheinlich können Sie sich nicht an mich erinnern. Ich habe Sie schon ein paar Mal besucht. Zum letzten Mal, als Sie gerade aufgewacht sind. Da haben Sie gesagt: Ich weiß gar nichts!»
    Der Blick des jungen Mannes glitt von ihrem Gesicht wieder zum Fenster. Laura folgte ihm, nahm den Baum wahr, der draußen zu sehen war. Ein Baum mit pechschwarzer, nasser Rinde und dunklen Zweigen. Das Gebäude hinter dem Baum wurde bereits vom Nebel verschluckt. Nur seine Fenster leuchteten durch die weißgrauen Schwaden.
    «Wer sind Sie?», fragte der junge Mann, ohne Laura anzusehen. Er sprach Italienisch.
    «Mein Name ist Laura. Ich möchte Ihnen helfen, sich zu erinnern. Aber es hat keine Eile.»
    «Laura», flüsterte er. «Ich kenne keine Laura. Was macht dieser Mann in meinem Zimmer?»
    «Das hier ist ein Krankenhaus, und der Mann in Ihrem Zimmer ist ein anderer Patient. Sie hatten einen Unfall – deshalb sind Sie in diesem Krankenhaus.»
    «Unfall?», flüsterte er. «Ich kann mich nicht erinnern. Der Arzt hat auch von einem Unfall gesprochen.

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