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Wie Krähen im Nebel

Wie Krähen im Nebel

Titel: Wie Krähen im Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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vielleicht den Rest ihres Lebens in einer Anstalt verbringen. Und das alles, weil irgendein Mistkerl eine Frau im Eurocity umgebracht hat und die arme Rosl zufällig die Leiche entdeckt hat. Findest du das fair?» Laura Gottbergrührte sorgsam in ihrem Milchkaffee, um den Schaum auf seiner Oberfläche zu schonen. Sie liebte Milchschaum.
    «Glaubst du wirklich, dass der Mord im Eurocity Auslöser für Rosls Zustand ist? Meinst du nicht, dass sie schon länger ein bisschen neben der Schiene läuft?» Baumann ließ seinen Blick durch das halbdunkle Lokal wandern, dessen eine Wand von einer riesigen Fototapete bedeckt war: Wildbach im Gebirge.
    «Sie ist sicher eine Frau, die Fachleute als psychisch gefährdet einstufen würden. Aber bisher hat sie offensichtlich einigermaßen funktioniert. Ein Schockerlebnis kann durchaus eine Psychose auslösen.»
    «Trostlose Geschichte auf alle Fälle», murmelte Baumann und beobachtete, wie zwei Tische weiter eine alte Frau ihren noch älteren Mann mit kleinen Kuchenstückchen fütterte. «Das ist also dein absolut einmaliges Kaffeehaus   …»
    Laura nickte.
    «Auf den ersten Blick erkennt man es nicht so schnell, aber es wurde garantiert seit den fünfziger Jahren nicht mehr renoviert. Deshalb riecht es auch etwas. Es ist Treffpunkt der merkwürdigsten Menschen Haidhausens, hat bis drei Uhr morgens geöffnet und die freundlichsten Wirtsleute, die du dir vorstellen kannst. Es ist Vorstadt, Glasscherbenviertel und total echt! Nix Schicki-Micki und schon gar nicht München leuchtet! Stattdessen Sozialhilfe, Arbeitslose, Künstler, Rentner. Es ist wunderbar und grauslig, und ich liebe es!»
    «Hast du Aktien von dem Verein, oder warum wirst du so euphorisch?»
    «Hast gerade deine knochentrockene halbe Stunde, was? Gibt es keine Kneipen, die aus deiner Vergangenheit überhängen?»
    «Doch!», grinste Baumann. «Aber die sind inzwischen alle verschwunden.»
    «Schade», sagte Laura.
    Baumann zuckte die Achseln.
    «Wie man’s nimmt. Aber lass uns mal kurz zusammenfassen, was wir wissen. Ich zähl mal auf, was mir einfällt: eine Tote im Eurocity, ein Unbekannter ohne Gedächtnis, dessen Fingerabdrücke auf der Mordwaffe sind, eine geheimnisvolle Besucherin, die offensichtlich nichts zur Klärung beigetragen hat, eine Putzfrau mit Verfolgungswahn, eine tote alte Frau, ein schwarzer Mann, der im Zug gesehen wurde   …»
    «…   und eine Bombendrohung am Hauptbahnhof, die sich als falsch herausgestellt hat», fügte Laura hinzu.
    Baumann entfernte umständlich das Silberpapier von dem kleinen Schokoladenkeks, der mit dem Kaffee serviert worden war, steckte den Keks endlich in den Mund und kaute genüsslich.
    «Ich könnte ja allerlei Theorien aufstellen», sagte er endlich und entfernte mit dem Daumen einen Schokokrümel aus seinem Mundwinkel. «Aber irgendwie ergibt das alles für mich keinen Sinn. Es kommt mir vor, als hätte irgendwer all diese Leute gemeinsam in einen Cocktailshaker gesteckt, heftig geschüttelt und sie dann über München ausgeleert.»
    Die Wirtin, eine kräftige dunkelhaarige Frau mit freundlichem Gesicht und runden Backen, trat an ihren Tisch und fragte, ob alles zur Zufriedenheit sei.
    «Noch zwei Milchkaffee bitte», sagte Laura. «Wie geht’s den Kindern?»
    «Gut, gut! Sind in der Schule. Wir ham heut wunderbare Schmalznudeln. Wollt’s nicht ein paar?»
    «Doch, zwei», strahlte Baumann.
    «I bring’s glei!» Die Wirtin verschwand in der Küche.
    «Schmalznudeln», murmelte Laura. «Hoffentlich wird uns nicht schlecht!» Plötzlich hatte sie das Gefühl, als ströme derNikotingeruch der vergangenen fünfzig Jahre aus den vergilbten Tapeten. Der Geruch war sicher schon immer da gewesen – bisher hatte er sie noch nie gestört. Jetzt empfand sie ihn als unangenehm, so unangenehm wie das, was sie Baumann zu sagen hatte.
    «Ich hab dir nicht ganz die Wahrheit über die Frau gesagt, die im Präsidium war. Na ja, Wahrheit ist falsch ausgedrückt   … ich hab dir nicht alles gesagt!»
    Kommissar Baumann spielte mit dem Schokoladenpapier und sah Laura nicht an. «Ich dachte es mir.»
    «Und warum hast du mich nicht gefragt?» Laura ärgerte sich über seine gelassene Art. Obwohl er mehr als zehn Jahre jünger war als sie selbst, gebärdete er sich häufig so unangemessen abgeklärt. Er seufzte tief und presste die Lippen aufeinander, ehe er antwortete.
    «Ich dachte, dass du’s mir schon sagen wirst, wenn du es für richtig hältst. Du hattest dich über

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