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Wie Krähen im Nebel

Wie Krähen im Nebel

Titel: Wie Krähen im Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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Lasagne gegessen?»
    Der alte Gottberg drehte sich heftig um. «Gibt es einen bestimmten Grund, warum du mir in letzter Zeit nicht mehr glaubst? Denkst du wirklich, dass ich schon so senil bin und von jungen Mädchen träume, die mir köstliche Speisen bereiten! Geh doch rüber und klingle bei ihr! Sie heißt Annemarie Schwarz! Wohnt seit zwei Monaten auf meinem Stockwerk und studiert Jura! Jawohl!»
    «Ich glaub dir ja! Es ist nur so   … ich denke manchmal, dass du vielleicht solche Dinge sagst, damit ich mir keine Sorgen mache. Das ist sehr lieb von dir – es hilft bloß nichts. Ich mach mir dann nur noch mehr Sorgen   …» Laura biss auf ihre Unterlippe und griff nach der Bratpfanne.
    «Wenn du sonst nichts zu tun hast!», brummte ihr Vater. «Ich dachte, du bist damit beschäftigt, nachts im Bahnhof nach Bomben zu suchen   …»
    «Vater, bitte hör auf! Ich hab mich letzte Nacht über dich geärgert, das ist vorbei und ich würde gern in Ruhe deine Bratkartoffeln rösten!»
    «Wieso meine Bratkartoffeln? Isst du nichts?»
    «Doch, ein bisschen!» Laura spürte, wie ihre Ungeduld wuchs. Sie musste einen Weg finden, den alten Gottberg von seiner Lust zu provozieren wegzulocken.
    «Ein bisschen!», spottete er. «Siehst schon ganz abgemagert aus. In deinem Alter braucht man was auf den Rippen, um das Leben auszuhalten, mein Mädchen. Deine Mutter hat es genau richtig gemacht, und sie sah immer wunderbar aus. Rundlichkeit führt nämlich dazu, dass man die Falten nicht so sieht!»
    «Danke!», erwiderte Laura und warf grimmig Kartoffelscheiben in das heiße Fett.
    «Damit wollte ich nicht sagen, dass du besonders viele Falten hast, Laura. Ich wollte nur sagen, dass Rundlichkeit den Menschen meist ein jugendliches Aussehen verleiht, wie zum Beispiel deiner Mutter.»
    Laura beschloss, nicht auf die Sticheleien einzugehen, sondern die Sache von der komischen Seite zu nehmen. «Noch was?», lachte sie und drehte ihr Gesicht von den heißen Fettdämpfen weg. «Ich weiß, dass Mama von unerreichbarer Schönheit war, deshalb versuche ich gar nicht erst, es mit ihr aufzunehmen!»
    «Sehr klug, mein Kind!», grinste ihr Vater, und Laura wusste, dass sie die richtige Antwort gegeben hatte. «Ich weiß nicht, was manchmal in mich fährt. Ich verbeiße mich in etwas und sage Dinge, die ich besser nicht sagen sollte. Wahrscheinlich hat es etwas mit meinem Beruf zu tun. Früherhabe ich mich in Rechtsfragen verbissen, jetzt beiße ich manchmal um mich wie ein verrückter Köter.»
    «Nur manchmal!», murmelte Laura, schaufelte die Kartoffeln in eine Ecke der Pfanne, gab etwas Öl zu und schlug sorgsam drei Eier auf.
    «Das machst du ganz hervorragend! Bei mir kommt immer Eierbrei heraus, oder der Glibsch landet gleich auf dem Fußboden.» Er verzog das Gesicht.
    «Mutter hat dich zu sehr verwöhnt!», antwortete Laura. «Dein Enkel Luca kann schon mit seinen sechzehn eine ordentliche Lasagne machen. Hast du es jemals versucht?»
    «Nie! Lasagne kam mir immer sehr kompliziert vor!» Der alte Gottberg nahm eine halb volle Rotweinflasche von der Anrichte und füllte zwei Gläser. «Um all das geht es auch gar nicht!», sagte er und reichte Laura eines der Gläser. «Es geht darum, dass ich mich gern wieder in etwas verbeißen würde – etwas, das mich wirklich bewegt. Weißt du, mir erscheinen die meisten Dinge so beliebig, fast unwichtig. Sag jetzt nicht, dass es etwas mit dem Alter zu tun hat und dass man weiser wird und all das! Sag es nicht!»
    «Ich wollte es gar nicht sagen!», erwiderte Laura leise.
    «Dann stoß jetzt mit mir an, und ich sage dir, woran es liegt!» Er hob sein Glas, berührte Lauras nur ganz leicht, und der zarte Ton war kaum zu hören. Sie sah, dass seine Hand zitterte, dass sein Rücken krummer geworden war, und sie liebte ihn so sehr, dass ihr Herz schmerzte.
    «Jetzt sage ich’s dir: Es liegt daran, dass ich nichts mehr tun kann außer gute Ratschläge zu geben, die niemand hören will! Es liegt an mangelnder Kraft. Wer keine Kraft mehr hat, entfernt sich von der Welt – wer weiß wohin!» Er tat einen großen Schluck und nickte vor sich hin.
    Laura trank ebenfalls, stellte das Glas ab und nahm schnell die Pfanne von der Herdplatte.
    «Ja!», sagte sie. «Ich nehme an, dass du Recht hast. Aber ich möchte dir beim Essen meinen neuesten Fall erzählen. Es gibt da eine Sache, an der du dich vielleicht festbeißen könntest.»
    Der alte Gottberg kniff die Augen zusammen. «Therapie?»
    «Nein,

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