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Wie Krähen im Nebel

Wie Krähen im Nebel

Titel: Wie Krähen im Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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mit solcher Entschiedenheit, dass ihr schwindlig wurde.
    Als Guerrini sich tief atmend zurücklehnte (nach – Laura konnte es nicht sagen – zwei Minuten oder zwei Stunden?) und Laura wieder in die Gegenwart zurückkehrte, nahm sie die Blicke der Gäste an den umliegenden Tischen wahr. Sie lächelte, kämmte ihr Haar mit den Fingern zurück, verbeugte sich leicht und dachte, dass dieser Kuss beinahe so gut war wie ein Ausflug ans Meer.
    «Bene!»
, sagte diesmal Guerrini. «Jetzt kommt der fließende Übergang: nach
vin brulé
und diesem Kuss ein Cappuccino oder Espresso, und schon sind wir wieder beim deutsch-italienischen Pflichtgefühl angekommen.» Er winkte den Kellner herbei und sah Laura fragend an.
    «Cappuccino!», antwortete sie. «Dann ist der Übergang sanfter.»
    «Für mich einen doppelten Espresso!», sagte Guerrini zum Kellner.
    Laura zog ihr Handy aus der Tasche. «Ich werde jetzt diese Nummer wählen, und dann sehen wir, wie es weitergeht.»
    Sie tippte die Zahlen in das winzige Telefon ein, während Guerrini mit verschränkten Armen an der dunkel getäfelten Wand lehnte. Das Freizeichen erklang, doch niemand nahm ab, der Kellner brachte ihre Getränke. Noch immer niemand. Laura hatte bereits den Finger auf die Unterbrechungstaste gelegt, da antwortete eine Frauenstimme.
    «Pronto!»
    Laura grüßte und nannte das Codewort, das die blasse Frau in München ihr aufgeschrieben hatte:
«Uccellini»
.
    Ein paar Sekunden lang blieb es still am anderen Ende, dann sagte die Frau undeutlich: «Ich werde ihn holen. Warten Sie!»
    Laura trank einen Schluck Cappuccino.
    «Ich kenne Ihre Nummer nicht! Wer sind Sie und was wollen Sie?» Die Männerstimme klang ärgerlich.
    «Sie können meine Nummer nicht kennen. Es ist ein deutsches Handy. Ich wurde von einer Frau geschickt, die mir Ihre Telefonnummer und das Wort
‹Uccellini ›
aufgeschrieben hat. Ich denke, Sie wissen, worum es geht.»
    «Ich kann nur wiederholen, was ich eben gesagt habe. Ich kenne Ihre Nummer nicht und weiß nicht, was Sie von mir wollen.
‹Uccellini ›
sagt mir überhaupt nichts!» Die Männerstimme klang weniger ärgerlich als zuvor, fügte unvermutet ein
«Ci vediamo!»
hinzu, und damit wurde das Gespräch beendet.
    «
Ci vediamo!
Wir sehen uns!», wiederholte Laura nachdenklich.
    «Wie bitte?» Guerrini beugte sich ein wenig vor und rührte einen halben Löffel Zucker in seinen Espresso.
    «Er hat
‹Ci vediamo!›
gesagt und aufgelegt. Außerdem hat er behauptet, dass ihm das Codewort nicht bekannt ist und meine Nummer ebenfalls nicht.»
    «Wenn er
‹Ci vediamo!›
gesagt hat, dann bedeutet es, dass er sich wieder bei dir melden wird!» Guerrini trank einen winzigen Schluck des schwarzen Kaffees, verzog das Gesicht und fügte noch einen halben Löffel Zucker hinzu.
    «Du meinst, dass er meine Nummer auf seinem Display hat und jetzt auf dem Weg zu einer stillen Telefonzelle ist, um unbemerkt mit mir zu reden?»
    «So ähnlich!» Guerrini war noch immer unzufrieden mit seinem doppelten Espresso. «Er ist zu bitter! Sie haben zu viel Kaffeepulver in die Maschine getan! So etwas darf in diesem Lokal nicht passieren!»
    Laura bot ihm schweigend ihren Cappuccino an, dachte, dass sie ihn nicht sehr gut kannte, und war froh darüber, dass es noch vieles gab, was sie an ihm entdecken konnte.
     
    Später gingen sie zusammen durch die Straßen. Der große Unbekannte hatte sich noch nicht wieder gemeldet. Bereits am frühen Nachmittag war es so dämmrig, dass die Weihnachtsbeleuchtung eingeschaltet wurde. Lichterschnüre hingen zwischen den Häusern und glitzerten, als wäre der Sternenhimmel unter den Nebel gerutscht. Laura und Guerrini aßen heiße Maroni, schauten immer öfter auf die Uhr.
    «Soll ich nochmal anrufen?», fragte Laura und prüfte zum zehnten Mal, ob ihr Handy Netzanschluss hatte.
    Guerrini schüttelte den Kopf.
    «Nein. Warte noch. Ich bin sicher, dass er sich melden wird. Vielleicht hatte er noch keine Gelegenheit.»
    Um zwanzig nach drei klingelte Lauras Telefon, und sie schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass es nicht ihr Vater sein möge. Aber das Display zeigte die Nummer des Unbekannten.
    «Hatten Sie nicht vorhin etwas von
Uccellini
gesagt?», fragte die Stimme des Mannes, als handele es sich um etwas Selbstverständliches.
    «Doch, natürlich!», antwortete Laura. «
Uccellini
habe ich gesagt, und Sie sagten:
‹Ci vediamo!›»
    «Ja, ich erinnere mich   … nun, ich habe mich erkundigt. Der beste Platz, um

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