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Wie man die Welt verändert: Über Marx und den Marxismus (German Edition)

Wie man die Welt verändert: Über Marx und den Marxismus (German Edition)

Titel: Wie man die Welt verändert: Über Marx und den Marxismus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Hobsbawm
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folgendermaßen zusammenfassen.
    Schon vor dem Ersten Weltkrieg hatte sich die Politik der herrschenden Klassen angesichts der zunehmenden politischen Demokratisierung (die durch den Druck von Seiten der neuen Arbeiterparteien noch beschleunigt wurde) allmählich in Richtung Gesellschaftsreform verschoben. In den nicht-faschistischen Ländern gewann dieser Prozess zwischen den Kriegen an Fahrt, erfolgte jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg systematisch, und zwar unter den Schlagworten »Vollbeschäftigung« und »Sozialstaat«. Schon vor 1914 ermutigten Demokratisierung und Wirtschaftswachstum dazu, den Wert gemäßigter Arbeiterbewegungen offen anzuerkennen, auch wenn das deutsche Kaiserreich weiterhin eine bedeutsame Ausnahme bildete. In der Folge wurden Arbeiterbewegungen und -parteien praktisch mit ihren Nationalstaaten gleichgesetzt. Bei Kriegsausbruch 1914 wurde das nur allzu deutlich.
    Bei Kriegsende erlebte die organisierte Arbeiterklasse in puncto Quantität und Macht einen spektakulären Zuwachs. Zwar ließ sich diese Entwicklung in der Zwischenkriegszeit nicht aufrechterhalten, doch während und nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sie sich erneut fort. Mit Ausnahme traditionell schwacher oder instabiler Industrieländer wie Frankreich und Spanien erreichte die organisierte Arbeiterschaft vermutlich in den 1970er Jahren ihre größte Stärke. Damit wurden Arbeiterparteien zu staatstragenden und systemerhaltenden Faktoren. Während und nach dem Ersten Weltkrieg gehörten ihre Repräsentanten Regierungen an und stellten schon bald selbst Regierungen, allerdings erst nach 1945 ohne die Unterstützung nicht-sozialistischer Parteien. Diese Entwicklung erreichte ebenfalls in den 1970er Jahren ihren Höhepunkt, als zu verschiedenen Zeiten Sozialdemokraten in einer Reihe von Ländern regierten: in Belgien, Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, Finnland, Großbritannien, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden und Spanien nach Franco; 1981 folgten Frankreich und Griechenland. Und dann kam die Krise.
    Welche Rolle spielten Revolutionäre in den Arbeiterbewegungen der Kernländer des westlichen Kapitalismus? Ganz gleich, was ihre Theorie besagte: In der Praxis konnten sie nicht revolutionär sein, denn weder der Sturz des Kapitalismus noch der Übergang zum Sozialismus standen zu erwarten. Andererseits brauchte man sie, weil selbst nicht-sozialistische Arbeiterbewegungen von der Mischung aus Klassenkampf am Arbeitsplatz und politischem Druck auf die nationalen Regierungen abhingen, ganz zu schweigen von den Ideen, in denen ihre Ziele zum Ausdruck kamen. Wo die Gewerkschaften stark waren, konnten Revolutionäre somit eine wichtige Rolle spielen, so dass kleine kommunistische Minderheiten in Ländern wie Großbritannien und den USA, wo ihre Parteien politisch zu vernachlässigen waren, überdurchschnittlich viel bewirken konnten. Der Einfluss der britischen KP auf die Gewerkschaften des Landes erreichte in den 1970er Jahren seinen Höhepunkt, als die Partei schon kurz vor dem Ableben stand.
    In den Diktaturen, die aus dem Katastrophenzeitalter übrig geblieben waren – etwa in Spanien und Portugal –, waren die Kommunisten nach wie vor die wichtigste Widerstandskraft und spielten beim Übergang zur Demokratie in den 1970er Jahren eine tragende Rolle, wurden allerdings schon bald an den Rand gedrängt. In Italien distanzierte sich die größte kommunistische Massenpartei in Europa, die auf Druck der USA systematisch vom Regieren ausgeschlossen wurde, von der UdSSR und bewegte sich in Richtung des sozialdemokratischen Modells. In Frankreich betrieb die KP in den 1970er Jahren einige Zeit eine Reformpolitik, als sie einer Art neuen Volksfront angehörte, die auf Initiative von François Mitterrand gegründet worden war, der die sozialistische Partei wieder aufgebaut hatte. Unter dem sozialistischen Präsidenten gehörte die KP von 1981 bis 1984 kurzzeitig der Regierung an – zum ersten Mal seit 1947 wurde das einer kommunistischen Partei gestattet –, zog sich jedoch schon bald auf eine traditionelle harte Linie zurück. Seit 1974 wurde sie von den wiedererstarkten Sozialisten bei Wahlen überholt und verlor schließlich in den 1980er Jahren die Unterstützung der Massen.
    Völlig anders stellte sich die Situation außerhalb der Kernländer des Kapitalismus dar, darunter auch in den Staaten, in denen die leninistischen Revolutionen von 1917 und 1945–1949 gesiegt hatten. Die russischen Bolschewiki waren im

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