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Wie man einen verdammt guten Roman schreibt

Wie man einen verdammt guten Roman schreibt

Titel: Wie man einen verdammt guten Roman schreibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James N. Frey
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der Geschichte ab, brüllten die Kritiker: »Einmischung des Autors!« Seitdem haben die Erzähler nur noch berichtet, was passiert, und haben ihre Meinungen für sich behalten. Die meisten Bücher, die heutzutage in der dritten Person geschrieben werden, entsprechen diesen Regeln, auch wenn kein Gesetz existiert, daß Autoren sich daran halten müssen. Tatsächlich haben viele zeitgenössische lateinamerikanische Schriftsteller und einige amerikanische Bilderstürmer, wie beispielsweise Kurt Vonnegut, die alte Art, an die Dinge heranzugehen, mit gutem Ergebnis zu neuem Leben erweckt.

        Die meisten Autoren, die gerne süffisante Kommentare und versteckte Beobachtungen abgeben, sind zur Ich-Erzählung übergegangen, wo der Erzähler, weil er eine Figur innerhalb der Geschichte ist, auf Teufel komm raus sagen darf, was immer ihm in den Sinn kommt.

    ERZÄHLERSPRACHE UND GENRE

    Wie bereits erwähnt, hängt die Wahl der Erzählersprache vom Genre Ihrer Geschichte ab. Genre - so werden Sie sich erinnern bezieht sich auf den »Typ« von Geschichte, die Sie erzählen: literarischer Roman, Krimi, Western, Bekenntnisroman, Unterhaltungsroman, Liebesroman, Science Fiction, Fantasy usw. Bei den meisten Genres sind Sie wahrscheinlich gut beraten, wenn Sie aus der Perspektive eines unsichtbaren Autors, in der dritten Person und aus einer eingeschränkt auktorialen Perspektive schreiben. Das ist die Norm; genau das wird vom Leser erwartet und vom Verleger gewünscht. Von dieser Norm sollten Sie nur aus starken und überzeugenden Gründen abweichen.

        Eine solche Abweichung wäre etwa bei einer folkloristischen Erzählung über Hillbillies und deren Fehden angebracht. Diese könnte am besten von einem Nachbarn erzählt werden, der alles mit angesehen hat. Das Lokalkolorit einer solchen Erzählung würde der Geschichte Atmosphäre und Würze verleihen und gleichzeitig den Eindruck verstärken, als habe sie sich wirklich so zugetragen, und ihr damit eine größere Wahrscheinlichkeit geben. Ein Western könnte von einem alten Goldschürfer oder von einem Kumpel des Helden erzählt werden; ein Arztroman von der Krankenschwester, die sich in den hübschen jungen Chirurgen verliebt; eine Science-Fiction-Erzählung von einem Marsmenschen.

        Wenn der Erzähler anonym und neutral ist, akzeptiert der Leser die Geschichte nur, wenn sie vollkommen plausibel ist. Der folgende Abschnitt ist einmal aus der Sicht eines unsichtbaren Erzählers in der dritten Person, dann aus der Sicht eines Ich-Erzählers geschrieben:

    Mary war eine gute Hausfrau, sie war ordentlich, hatte alles gut im Griff und immer das Essen fertig, wenn Bob um sechs Uhr nach Hause kam. Bob sorgte gut für seine Familie, war solide und ging regelmäßig in die Kirche; er machte sich gerne im Haus nützlich. Mary machte Handarbeiten, half ehrenamtlich bei Gemeindefesten mit und sah gerne fern. Sie waren Mitglieder im Lions Club. Doch irgend etwas stimmte nicht in ihrer Ehe. Mary langweilte sich. Nicht daß sie Bob und die Kinder nicht liebte, es war nur so, daß sie zuviel freie Zeit zur Verfügung hatte. Als sie dann »Sweet Jesus« Mahoney kennenlernte und er ihr einen Job als Nutte an drei Nachmittagen in der Woche anbot, dachte sie: Mann! dann könnte ich mir glatt den neuen Mantel kaufen, den ich schon seit langem haben will…

        Sie werden feststellen, daß diese Geschichte in der dritten Person nicht sehr glaubwürdig klingt. Hier ist die gleiche Passage aus der Sicht eines Ich-Erzählers:

        Hör mal, da ist eine verdammt verrückte Sache bei uns in der Stadt passiert. Da gibt es eine Hausfrau namens Mary Pringle, sieht nicht schlecht aus, aber auch nicht besonders, die ist mit diesem Bob verheiratet, mit dem bin ich früher häufig unten bei Speedo Lanes Bowling spielen gegangen. Auf jeden Fall, eines schönen Tages ißt Mary in der Stadt bei Bing zu Mittag und da sitzt da dieser Kerl, ein auffälliger junger Typ namens »Sweet Jesus«, er hat da ein paar Mädchen im Seaside Ranch Motel laufen, und ihm fällt Mary ins Auge. Ich weiß nicht, was er an ihr gefunden hat, sie ist eine ganz normale spießige Hausfrau, doch jedenfalls setzt er sich an ihren Tisch und sagt zu ihr: »Sagen Sie, haben Sie nicht Lust, sich schnell ein paar Mäuse zu verdienen?« Mary ist vollkommen überrascht. Sie fällt fast vom Stuhl. Doch der Typ sagt: »Ich meine das ernst. Ich glaube, daß Sie unter Ihren Spießerklamotten da ein paar Schätze

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