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Wie man einen verdammt guten Roman schreibt

Wie man einen verdammt guten Roman schreibt

Titel: Wie man einen verdammt guten Roman schreibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James N. Frey
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Erzähler von Ereignissen berichten kann, die über das Blickfeld des personalen Erzählers hinausgehen.

    DIE WAHL DER ERZÄHLPERSPEKTIVE

    Wenn Sie mit der Niederschrift Ihres Romans beginnen, spannen Sie ein Blatt Papier in Ihre Schreibmaschine ein oder stellen Ihr Textverarbeitungssystem an. Als nächstes nehmen Sie sich Ihre Notizen vor, die Biographien Ihrer Figuren und Ihr Stufendiagramm. Sie lassen Ihre Prämisse in Neon an der Wand aufleuchten und glauben, daß Sie nun anfangen können.

    Doch dann stellen Sie fest, daß Sie keinen einzigen Absatz schreiben können, weil Sie nicht wissen, aus welcher Perspektive Sie erzählen sollen. Das Wissen um die verschiedenen Möglichkeiten - erste Person, auktorial, eingeschränkt auktorial, objektiv erleichtert die Wahl nicht unbedingt. Wann ist ein Ich-Erzähler angemessen und wann nicht? Wenn ein IchErzähler ratsam ist, kann das der Protagonist sein? Sollten Sie einen auktorialen Erzähler benutzen? Einige Autoren benutzen eine Kombination von Perspektiven, sowohl objektive als auch subjektive, Ich-Erzähler und Er-Erzähler im selben Buch. Sie fragen sich, ob das in Ihrer Geschichte funktionieren würde.
        Viele junge Romanautoren glauben, sie seien kreativ, wenn sie häufig die Perspektive wechseln. Sie bilden sich ein, ihre Arbeit sei experimentell oder sogar avantgardistisch. Sie benutzen die Perspektive nicht, um die Geschichte effektvoller zu gestalten, sondern um die Aufmerksamkeit auf ihre Technik zu lenken - und damit ihr Genie zur Schau zu stellen, wie sie meinen. Diese Art von Spielchen sind anmaßend, um nicht zu sagen, einfach albern.

        Um die richtige Erzählperspektive herauszufinden, müssen Sie sich nicht einfach fragen: »Welche Perspektive?« sondern: »Wer kann diese Geschichte am besten erzählen?« Die von Ihnen gewählte Perspektive wirkt sich auf die Erzählersprache aus, und die-se Erzählersprache, nicht die Perspektive an sich, ist das Entscheidende. Die Wahl der Erzählersprache basiert auf Überlegungen hinsichtlich des Genres.

        Wir wollen zunächst einmal definieren, was mit »Erzählersprache« gemeint ist. Eine fiktionale Figur hat einen bestimmten »Tonfall«, eine charakteristische Art zu sprechen (»Quatsch, Wilbur, du hättest mir die Uhr da nicht geben brauchen«). Die für den Erzähler charakteristische Art zu sprechen bezeichnet man als Erzählersprache. Der Autor kann entweder seine eigene natürliche Stimme verwenden oder eine andere annehmen. Wenn der Autor nicht seine eigene Stimme verwendet, dann ist die Erzählersprache die Stimme irgendeiner »Figur«, die der Autor erfunden hat, um seine Geschichte zu erzählen.

        Im achtzehnten und frühen neunzehnten Jahrhundert wurden Romane in der natürlichen Stimme des Autors geschrieben. Wenn beispielsweise Sir Edmond Ethelred Smithers vorhätte, einen Roman zu schreiben, würde er ihn in der ersten Person schreiben und seine eigenen Ansichten würden offen zum Ausdruck gebracht. Er würde über seine Figuren sprechen, als ob sie Bekannte von ihm waren:

    Reginald war ein kräftiger Bursche, höflich und - wie ich meine - wohlwollend. Er war ein Ausbund an Menschlichkeit und behandelte seine Frau wirklich sehr gut; er schlug sie nicht besonders fest, es sei denn, sie machte sich eines wirklich unerhörten Vergehens schuldig, wie etwa, ihrem Mann zu widersprechen. Eines Abends, als sie allein waren, dachtesich Reginald, es wäre schön, einmal zu sehen, wie seine Frau ohne Kleider aussähe. Sie waren seit zweiundzwanzig Jahren verheiratet, und dieser Anblick war ihm nie vergönnt gewesen, doch hatte er ganz zufällig eines Nachts während ihres ersten Ehejahres den allerwinzigsten Blick auf ihren Busen erhaschen können, als bei einem Erdbeben die Trennwand zum Ankleidezimmer seiner Frau umfiel…

        Die Stimme in diesem Beispiel hat einen leicht süffisanten Ton, freundlich und geschwätzig. Es liegt ein gewisser Charme darin. Allerdings ist dieser Typ Erzähler den Weg aller Dinosaurier gegangen.

        Irgendwann um die Jahrhundertwende, in einer Zeit wachsender Skepsis innerhalb der Geisteswissenschaften, begriff man, daß der Autor unmöglich wissen konnte, was vor sich ging, wenn die Figuren allein waren. Als Reaktion auf diese Kritik wurde der auktoriale Erzähler »unsichtbar«. Die Autoren sprachen nicht mehr in einem geschwätzigen Plauderton über ihre Figuren. Gab ein Erzähler Kommentare über eine Figur oder den Fortgang

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