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Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2)

Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2)

Titel: Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James N. Frey
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Das ist natürlich das Thema des nächsten Kapitels.

8
    DIE SIEBEN TODSÜNDEN
    1. ÄNGSTLICHKEIT
    »Ein Autor von Romanen und Kurzgeschichten«, schreibt Edwin A. Peeples in A Professional Storywriter’s Handbook (I960), ist jemand, der »gegen alle Widrigkeiten anrennt… aus den alltäglichen Erfolgs oder Katastrophenmeldungen und der historischen Erfahrung Geschichten schmiedet, die Spannung erzeugen, amüsieren, belehren und den Leser bewegen. Das ist kein Beruf für ängstliche Menschen.«
    Als ich jung war, habe ich mich immer für einen mutigen Kerl gehalten.
    Ich bin mit einem Haufen Verrückter (die mein Vater als »schlechten Umgang« bezeichnete) Ski gelaufen. Wir sind durch die Wälder gefegt, manchmal über vereiste Pisten und manchmal sogar nachts, wenn man die nächste Kurve oder das nächste Steilstück nicht sehen konnte, oder die nächste schneefreie Stelle, auf der man sich wunderbar überschlagen konnte. Und es oft auch tat.
    Im Sommer bin ich dann Wasserski gelaufen. Ich habe mich bei jemand auf die Schultern gestellt und bin vom See aus direkt auf den Rasen vor unserem Sommerhaus gesprungen. Ich habe alles ausprobiert. Habe auf einem nicht als Spielfeld markierten Gelände ohne Schulter- und Brustpolster und ohne Helm wüstestes Football gespielt. Mich mit meiner Schwester geprügelt, die ein regelrechter weiblicher Tarzan war.
    Nach der High School habe ich beim U-Boot-Bau gearbeitet. Da konnte man in Flammen aufgehen, es konnten einem schwere Gegenstände auf den Kopf fallen, oder man konnte im Tauchtank ersticken. Doch ich habe nie einen Gedanken an so etwas verschwendet. Zum Teufel damit.
    Als ich zum ersten Mal an einem Kurs für Kreatives Schreiben teilnahm, war ich bereits verheiratet und hatte zwei Kinder. Mittlerweile arbeitete ich als Schadenssachverständiger für eine Versicherung, wurde den ganzen Tag angebrüllt, bedroht und gelegentlich sogar von ei - nem aufgebrachten Kunden tätlich angegriffen. Aber das machte mir nichts aus, ich hatte ja ein dickes Fell.
    Doch als ich in diesem Kurs eine Kurzgeschichte von fünf Seiten vorlesen sollte, schnürte sich mir die Kehle zu, mein Mund wurde ganz trocken, und ich fing am ganzen Körper an zu zittern. Als dann die anderen Kursteilnehmer über meine Geschichte diskutierten, spürte ich, wie sich mir der Magen zusammenzog, der Schweiß mir den Rücken herunterlief, ich Gänsehaut bekam und kleine Punkte hinter meinen Augenlidern tanzten. Unser Leiter hielt sich auch nicht gerade zurück, und so bekam ich von allen eins drauf.
    Als Beispiel zitiere ich Ihnen eine schriftliche Beurteilung, die ich einmal vom Leiter eines Workshops bekommen habe:
    Lieber Mr. Frey,
    zwar bin ich der Meinung, daß diese Arbeit insofern einer Erzählung ähnelt, als sie aus Worten besteht, die zu Sätzen zusammengesetzt wurden, und eher fiktiv als faktisch ist. Das einzige, was sie - soweit ich das sehen kann - sonst noch mit einer Geschichte gemein hat, ist daß sie einen Anfang und ein Ende hat. Doch damit hören die Ähnlichkeiten auch schon auf.

Ich würde gern wissen, was das Ganze soll. Da kommt also Henrys Schwiegermutter von den Toten zurück und setzt ihre Kampagne, aus ihm einen ordentlichen Menschen zu machen, genau da fort, wo sie aufgehört hat. Was löst das bei ihm aus? Warum tut er während des gesamten Schwalls von siebentausendfünfhundert Wörtern dieses ?????? nichts anderes, als zitternd herumzuliegen? Und warum hat sich die Schwiegermutter überhaupt die Mühe gemacht zurückzukommen? Mr. Frey, Sie scheinen zu glauben, bloß weil Sie sich eine irgendwie interessante Situation voll düsteren Horrors und mysteriöser Ereignisse ausgedacht haben, haben Sie bereits eine Geschichte geschrieben. Das haben Sie nicht. Nachdem ich mich durch das Ganze gequält habe, weiß ich nichts über Henry, was ich nicht schon bei seinem ersten Schrei gewußt hätte, als das alte Mädchen durch die Wand spazierte …
    Sie verstehen, was ich meine. Wenn man solche Kritiken bekommt, ist das schmerzlich. Selbst der Tapferste bricht darunter zusammen.
    Eine Teilnehmerin jenes Kurses hat mir später einmal erzählt, daß sie hinterher häufig aufs Klo gegangen ist und sich übergeben hat. Heute ist sie eine preisgekrönte Dramenautorin und hat Dutzende Kurzgeschichten an große Zeitschriften verkauft.
    Ein anderer Teilnehmer hat den Kurs fluchtartig verlassen, ist aber ein Jahr später wiedergekommen und hat seitdem zwei Dutzend Romane verkauft. Noch ein

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