Wie man im digitalen Zeitalter richtig aufblueht
bewusst sind, dass sie diesen Preis zahlen. Im Gegensatz zur Hardware sucht man dieses Bewusstsein im Bereich der Software jedoch oft vergebens. Endlose Seiten von Endnutzerlizenzvereinbarungen spezifizieren, welche Rechte man durch den Gebrauch bestimmter Dienste abtritt; Kaufbestimmungen legen fest, dass viele digitale Produkte dem Käufer eigentlich gar nicht gehören, sondern nur lizenziert sind. Wenn der betreffende Service oder Support in diesen Fällen eingestellt wird, bleiben nichts als inaktive, nutzlose Daten zurück.
Diese Kontexte zu erfassen ist eine ernste Herausforderung, nicht zuletzt, weil es den alltäglichen Gebrauch digitaler Produkte und Dienste empfindlich stören kann. Solange wir die Absichten und Beschränkungen unserer Werkzeuge nicht genauer untersuchen, müssen wir jedoch mit weniger Verbesserungen und zunehmendem Missbrauch rechnen. John Naughton, Professor für Öffentliches Technologieverständnis an der Open University, drückte sich im November 2011 in einem Artikel im Observer so aus: »Wenn man ›Gratis-Dienste‹ nutzt, muss man akzeptieren, dass man selbst (oder vielmehr: die eigene Identität) ihr Produkt ist.« Es gibt eben nichts umsonst, nicht einmal im Internet.
Wir mögen in einem Zeitalter leben, in dem elektronische Dienste und Geräte mehr einer Ökologie ähneln als bloßen Maschinen, und vielleicht ist es ihren Schöpfern auch ganz recht, dass wir sie so behandeln. Dennoch sind diese Technologien nicht unabhängig von uns geschaffen worden. Wenn wir selbst nicht in der Lage sind, die Abläufe und Komplexitäten hinter der ständig wechselnden Szenerie der digitalen Welt zu begreifen, so können wir doch durch Kritik, Warnungen, Empfehlungen und Alternativvorschläge von jenen lernen, denen es gelungen ist.
Es ist unwahrscheinlich, dass einem über Nacht eine Alternative zu Facebook einfällt oder man die Idee zu einem Internetversand hat, der Amazon schlägt. Doch kann man lernen, beide ein wenig besser zu nutzen – und sich fragen, was selbst solche Giganten nicht leisten können.
5 Wissensverteilung, Sachverstand und das Ende der Autorität
1.
Im Jahre 1998 veröffentlichten zwei Studenten der Stanford University einen Artikel mit dem Titel »Die Anatomie einer großflächigen Hypertext-Internetsuchmaschine«. Hinter dieser trockenen Zusammenfassung ihrer visionären Gedanken verbarg sich etwas, das sich als eine der bedeutendsten Ideen des digitalen Zeitalters erweisen sollte: nämlich, wie man der weltweit stetig zunehmenden Informationsflut durch ein neues Beurteilungsprinzip Herr werden könnte.
Die Autoren erörterten die Frage, wie sich aus einem »unkontrollierten« Medium, »in dem jeder veröffentlichen kann, was er will«, befriedigende Suchergebnisse ableiten lassen, die den Nutzern nicht nur Informationsquellen liefern, sondern auch Verweise auf möglichst präzise und nützliche Informationen.
Ihre Antwort – und ihr Glaube daran, dass eine solche Antwort nicht nur existierte, sondern auch auf Milliarden veröffentlichter Dokumente anwendbar sei – trug dazu bei, dass sich die Welt im nachfolgenden Jahrzehnt grundlegend veränderte.
Die Autoren der Studie waren Sergei Brin und Larry Page, die das von ihnen dargestellte Produkt auf den Namen Google tauften – ein Wortspiel mit dem mathematischen Begriff »Googol«, einer Eins mit hundert Nullen. Internetsuchmaschinen gab es schon seit Beginn der Neunziger. Brin und Page hatten jedoch festgestellt, dass man nur wenig dafür getan hatte, die Qualität der gelieferten Suchergebnisse zu verbessern. Ihre bedeutendste Erfindung entsprang der Einsicht, dass die Methodik der akademischen Forschung selbst eine Lösung für dieses Problem bot.
In der akademischen Welt verhielt es sich seit jeher so, dass die Anzahl der Nennungen eines Werkes als Kennzeichen für dessen Relevanz auf einem bestimmten Gebiet galten. Ein Forschungsergebnis, das in hundert nachfolgenden Artikeln zitiert wurde, konnte also als richtungweisender betrachtet werden als eines, auf das sich nie jemand berief.
Der Gedanke von Brin und Page war nun, dass auch die Anzahl von Verlinkungen einer Seite mit anderen Seiten im World Wide Web einen brauchbaren Indikator für deren Wichtigkeit oder Qualität bot. Obendrein war dies eine Bewertungsmethode, die von einem entsprechend ausgeklügelten Algorithmus automatisch durchgeführt werden könnte.
Der in der Studie umrissene Algorithmus trug den Namen »PageRank«. Er bildet noch
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