Wie man im digitalen Zeitalter richtig aufblueht
heute den Kern dessen, was inzwischen zum möglicherweise bedeutendsten digitalen Dienst der Welt geworden ist. PageRank ist seit seinen Anfangstagen ständig überarbeitet und verbessert worden, und seine exakte Formel ist ein streng gehütetes Unternehmensgeheimnis. Sein Grundprinzip ist jedoch dasselbe geblieben. Ausreichend präzise Massenbeobachtung kann also einen Schlüssel zu jener am schwersten erfassbaren Eigenschaft einer Information bieten – ihrer Qualität.
Ein Algorithmus wie PageRank verlangt von seinen Schöpfern nicht, die Qualität von Internetinformationen selbst zu bewerten. Stattdessen beobachtet er automatisch, wie alle anderen das Netz nutzen und konstruieren. Schlüsselvariablen sind dabei die Anzahl eingehender Links einer Seite, die Besucherzahl, die Updatefrequenz und die Art ihrer Inhalte. Darüber hinaus werden besondere Qualitätsindize ausgewertet, etwa die Besucherstruktur einer Seite, wie lang oder intensiv sie sich mit ihr beschäftigen, die relative Bedeutung sämtlicher verbundener Seiten und schließlich, ob ein verdächtiges Verhalten feststellbar ist, welches darauf hindeutet, dass jemand die Einstufung der Seite künstlich aufzuwerten versucht.
Die Geschichten um die immer raffinierteren statistischen Analysen von Google und anderen Suchmaschinen sind – ebenso wie ihr Wettrüsten gegen jene, die versuchen, die Ergebnisse zu verfälschen – allein schon faszinierend. Von noch größerer Bedeutung ist jedoch der kulturelle Wandel, für den sie stehen. Innerhalb von etwas mehr als zehn Jahren haben die Innovationen auf dem Gebiet der Datenverarbeitung unseren Begriff der Autorität stärker verändert als je zuvor in einem vergleichbaren Zeitraum in der Geschichte. Gleichzeitig stellen sie unsere zentralen kulturellen und intellektuellen Werte in Frage.
2.
Das Wort »Autorität« taucht in der englischen Sprache erstmals im 13. Jahrhundert auf. Es stammt aus dem Altfranzösischen und bezieht sich in erster Linie auf das geschriebene Wort. Ein »auctorite«, so die damalige Schreibweise, war ein Text, dessen Inhalt man Glauben schenken durfte – und der daher als Grundlage kultureller und theologischer Diskussionen dienen konnte. Der ultimative Text dieser Art war die Bibel, gefolgt von den bedeutendsten klassischen und religiösen Autoren. Solche Texte waren ihre eigene Garantie für Exaktheit, und die höchste Form von Gelehrtheit und kritischem Denken bestand darin, ihre Botschaften herauszuarbeiten und sie auf die Welt anzuwenden.
Nur die hervorragendsten Bürger Frankreichs werden im Pariser Panthéon beigesetzt. Doch was bedeutet »hervorragend« in einer digitalen Welt?
(Panthéon in Paris © Andrew Ward / Life File / Getty Images)
Achtung vor der Autorität war nicht einfach eine Gepflogenheit; es war die Grundlage eines kompletten politischen und intellektuellen Systems. Mit der Zeit wurde der Begriff »Autorität« auch auf Personen ausgedehnt, die sich aus Büchern bildeten und deshalb als Experten galten – oder auf Menschen, die aufgrund ihrer Stellung als Dienstherr, Monarch oder Abt den Gehorsam der anderen einfordern konnten. In jedem Fall umfasste der Akt der Ehrerbietung einen gewissen Glauben: zumindest daran, dass der Gedanke solcher Ehrerbietung ein gesellschaftliches und kulturelles Gut sei.
Die Aufklärung, die Demokratisierung und die Massenkultur haben solche Tendenzen längst verwässert. Und doch konnte sich ein gewisses Vertrauen in den Sachverstand dauerhaft als Bestandteil des kulturellen Lebens behaupten. Den Kern dieser Geisteshaltung bildeten die verschwisterten Figuren des Kritikers und des Schöpfers. Außerhalb der empirischen Sphäre wissenschaftlicher Methoden (die sich durch die gewaltigen Datenmengen selbst radikal verändern) haben wir lange Zeit Menschen geduldet, ja, sogar nach ihnen gerufen, deren Rolle es ist, uns dahingehend zu beraten, was wir mögen und nicht mögen sollen – Menschen, die versuchen, einen öffentlichen Geschmack zu verkörpern und zu lehren, der sich an den Besten der Besten innerhalb eines bestimmten Feldes orientiert.
Selbst anspruchsvolle Kritik war immer nur ein Faktor von vielen. Wir wissen längst, welche Bücher sich am besten verkaufen, welche Filme das größte Publikum haben, wer die meisten Wählerstimmen bekommt. Was wir bis vor etwa einem Jahrzehnt jedoch nicht hatten, war die radikal neue Form und das Ausmaß der Empirie, die das Internet bietet. Wir haben heute Zugang zu einer
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