Wie man seine durchgeknallte Familie überlebt - Rick ; Bd.1
Finns Finger krallten sich in meinen Unterarm. Keine Ahnung, ob er damit mich vom Schreien abhalten wollte oder sich selbst.
Kalter Schweiß drang aus meinen Poren. Und als sich Finns und mein Blick für einen kurzen Moment trafen, wusste ich, dass ihm der Hintern genauso auf Grundeis ging wie mir.
Ich hatte das Gefühl, jede Sekunde vor Aufregung zu platzen, wie ein zu prall gefüllter Ballon.
Doch dann wurden die Atemgeräusche mit einem Mal leiser und ich hörte, wie sich die Schritte vom Teehaus entfernten.
Ich atmete leise auf.
Finn grinste mich unsicher an. Dann schob er vorsichtig ein schmales Brett zur Seite, das sich als ein kleines Fenster entpuppte.
Gemeinsam schauten wir hinaus.
Auf der anderen Seite des Raums, vor einer breiten Glasvitrine mit fratzenartigen Masken, standen sie: der Dicke und die beiden Museumswärter.
Sie hatten uns den Rücken zugewandt und unterhielten sich. Weil sie so weit weg waren, konnte ich nur Bruchstücke aufschnappen.
»Solche Gauner muss man sofort in ihre Schranken weisen …«, empörte sich der Dicke.
Das Nächste konnte ich nicht richtig verstehen. Aber es klang nach
Polizei
und
Körperverletzung
und ich meinte auch so etwas Ähnliches wie
Gefängnis
rausgehört zu haben.
Der hatte ja wohl nicht mehr alle Latten im Zaun! Nur weil ich ihn aus Versehen umgeskatet hatte, steckten die mich doch nicht gleich ins Gefängnis.
Oder doch?
Mir kroch eine eiskalte Gänsehaut von der Schuhsohle bis in den Nacken hinauf.
Der eine Wärter schüttelte den Kopf. Anscheinend war er nicht derselben Meinung wie der Dicke, der mich vermutlich am liebsten zu Hackfleisch verarbeitet hätte, um dann riesige Hamburger aus mir zu machen.
Die drei Männer wandten sich zum Gehen und Finn schob schnell den Fensterspalt zu.
Als sie in etwa auf Höhe des Teehauses waren, meinte der eine Wärter: »Ich sage mal eben den Kollegen über Funk Bescheid. Sie sollen die Augen aufhalten. Hier sind die beiden auf jeden Fall nicht mehr.«
»Gute Idee«, stimmte der andere Wärter ihm zu.
Doch damit wollte der Dicke sich nicht zufriedengeben. »Die müssen hier noch irgendwo sein. Hundertprozentig. Gibt es vielleicht einen zweiten Ausgang?«
»Nein. Nur die Notausgänge, und wenn die geöffnet werden, geht die Alarmanlage los.«
»Dann sind sie noch hier drinnen!«, behauptete der Dicke mit Nachdruck.
Einer der Wärter stöhnte. »Hier ist aber niemand. Und außerdem schließen wir gleich. Sollten wir die beiden noch irgendwo im Museum finden, melden wir uns bei Ihnen. Dann können Sie sich direkt mit den Eltern in Verbindung setzen. Hinterlassen Sie doch einfach vorne am Kassenschalter Ihre Adresse und Telefonnummer.«
»Frechheit«, regte der dicke Typ sich auf. »Ich habe irgendwie das Gefühl, als ob Sie mich überhaupt nicht ernst nehmen.«
Einen Moment erwiderte keiner der beiden Wärter darauf etwas.
Dann hörte ich, wie sich der eine räusperte und sagte: »Na ja, Ihnen ist doch nichts Schlimmes passiert. Und was die Jungs betrifft, die haben es sicherlich nicht böse gemeint.«
Was der Dicke darauf antwortete, hörte ich nicht mehr. Dafür hatten sich die Männer schon zu weit vom Teehaus entfernt.
»Puh, da haben wir aber noch einmal Glück gehabt«, atmete Finn auf.
Ich fühlte mich kein bisschen erleichtert. Ganz im Gegenteil.
»Und das alles nur deinetwegen«, blaffte ich ihn an.
Finn hob die linke Augenbraue. »Ich? Warum bin ich daran schuld?«
Plötzlich wurde mir bewusst, wie eng ich gerade mit dieser Streberleiche aufeinanderhockte. Und ich versuchte, mich anders hinzusetzen, um so viel Raum wie möglich zwischen uns zu schaffen.
Ich wollte Finn nicht so nahe sein. Ich wollte überhaupt nichts mit Finn zu tun haben. Ich konnte Finn nicht ausstehen. Finn war ein furzbekloppter Vollidiot und nur seinetwegen hockte ich in diesem bescheuerten Teehaus und spürte meine Beine nicht mehr.
»Warum bist du hinter mir her gerannt? Und was wolltest du überhaupt bei uns zu Hause? Ich dachte, du hättest beim letzten Mal gecheckt, was Sache ist, und würdest dich nie wieder bei uns blicken lassen. Was willst du denn noch von mir? Antworte gefälligst!«
Finn rümpfte die Nase. »Das würde ich ja, wenn du mich mal zu Wort kommen ließest.«
Da, schon wieder! Warum brachte dieser Blödmann es eigentlich ständig fertig, dass ich mir in seiner Gegenwart wie ein kompletter Idiot vorkam? Lag das an seinem oberklugen Blick? Oder an seiner gezierten Fiepsstimme?
Wahrscheinlich
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