Wie man sie zum Schweigen bringt
Weihnachten vor einem Jahr hatte sie erklärt, der Meihnachtswann bringe Kapete. Es tat mir fast Leid, als sie immer weniger Wörter verdrehte und genauso zu sprechen begann wie wir alle.
Unbemerkt beobachtete ich sie beim Spielen. Sie redete auf das hölzerne Spielpferd ein, streichelte seine Sisalmähne, kletterte dann hinauf und fing so wild an zu schaukeln, dass ich schon fürchtete, das Pferd werde sich vom Gestell lösen. Als sie mich entdeckte, legte sie eine Vollbremsung hin. Sie strahlte über das ganze Gesicht und lief auf mich zu.
»Iida hat heute Mittag lange geschlafen, vielleicht brütet sie einen Schnupfen aus. Zwei Kinder sind schon krank«, berichtete Helvi. Antti musste am Donnerstag und Freitag an einem von der EU finanzierten Forschungsseminar teilnehmen. Sollte Iida tatsächlich krank werden, würde ich meine Schwiegermutter um Hilfe bitten müssen. Mit zwei Kindern wäre das Ganze doppelt so kompliziert, dachte ich, während ich zum Abendessen eine meiner Bravournummern zubereitete, pürierte Hühnersuppe mit Frischkäse, von der Iida fast so viel aß wie Antti und ich. Ich überlegte gerade, ob ich noch eine dritte Portion nehmen sollte, als Koivu anrief.
»Die Sache mit dem Motorrad war ein Schlag ins Wasser, es hat keine Metzeler-Reifen, sondern irgendwelche anderen, einsvierzig breit. Du hast sicher meine Nachricht bekommen, dass die DNA von der Zigarettenkippe mit der von dem Haar übereinstimmt, das an Ilveskivis Kleidern gefunden wurde. Nicht? Hat der Computer wieder mal die E- Mail gefressen? Scheiße! Hör mal, Maria, sollten wir Marko Seppäläs Zahnbürste nicht heute schon holen? «
ZEHN
Das Seminar »Sichere Stadt 2000« fand im Tapiola-Saal des Espooer Kulturzentrums statt. Dass fast alle achthundert Plätze besetzt sein würden, hatte ich nicht erwartet, und als ich das mit dunklen Anzügen und blank gewienerten Schuhen ausstaffierte Publikum sah, geriet ich in Panik. Offenbar waren fast alle Anwesenden im eigenen Wagen gekommen, denn Taskinen und ich hatten unser gemeinsames Fahrzeug in weiter Entfernung parken müssen. Zum Glück waren wir rechtzeitig losgefahren.
Koivu und Wang waren mit der Spurensicherung bei den Seppäläs zur Haussuchung, die aus Termingründen nun doch auf den Vormittag verlegt werden musste. Es hatte Suvi gar nicht gefallen, dass sie wegen ihres Kurses nicht anwesend sein konnte. Koivu schimpfte, dank meiner bewussten Indiskretion habe sie Zeit genug gehabt, alle Beweise für die Schuld ihres Mannes verschwinden zu lassen. Koivu kritisierte meine Methoden selten, aber diesmal mochte er durchaus Anlass dazu haben.
»Schick mir eine SMS, wenn ihr fertig seid. Ich sitze bis Mittag in dem verdammten Seminar fest«, hatte ich zum Abschied verdrossen gesagt.
Viel lieber wäre ich mit zur Durchsuchung gegangen, doch das war nun einmal nicht möglich. Ich hatte nicht geahnt, wie viele Vortrags und Repräsentationspflichten mit meiner Stellung als Hauptkommissarin verbunden waren. Um mich für das bevorstehende Seminar zu motivieren, versuchte ich mir einzureden, mit meinen Worten irgendetwas bewirken zu können, doch selbst daran konnte ich nicht mehr recht glauben, als ich den Blick über das Publikum schweifen ließ. Diesen Menschen war die Sicherheit ihrer Unternehmen wichtiger als der Kampf gegen die Gewalt auf der Straße. Vermutlich waren sie ohnehin nie zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs.
Wir waren angewiesen worden, uns auf die reservierten Plätze ganz vorn zu setzen. Einige Reihen dahinter stachen mir das schwarze Haar und das purpurrote Samtkleid von Eila Honkavuori ins Auge. Sie war über meinen Anblick so verblüfft, dass sie vergaß, mein Lächeln zu erwidern. Ich schaffte es gerade noch, auf meinen Platz zu kommen, bevor der Stadtdirektor zu seiner Begrüßungsrede ansetzte.
Nach dem Stadtdirektor sprach der Leiter des Amts für Verkehrsplanung, dann war Taskinen an der Reihe. Ich bewunderte seine Fähigkeit, ruhig und überzeugend zu sprechen. Die Hörer schienen ihm darin beizupflichten, dass dem Kampf gegen die Drogenkriminalität höchste Priorität zukam. Dabei waren nicht wenige von ihnen an dem Beschluss beteiligt gewesen, die Mittel für Entziehungskuren zu kürzen, und die Behandlungszentren für Drogensüchtige standen sicher auch nicht auf den Sponsoringlisten der großen Unternehmen in Espoo. Es war höllisch schwer, vom Rauschgift loszukommen, doch jeder Behandlungserfolg würde die öffentlichen
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