Wie man sie zum Schweigen bringt
eingegriffen«, meinte Laine spöttisch, nahm ein Sprungseil vom Haken und begann federnd zu hüpfen. Zu meiner Erleichterung ging die Tür erneut, und zwei Praktikanten vom Streifendienst polterten herein. Ich strapazierte noch einmal meine Bauchmuskeln, dann nahm ich mir den Rücken und die Oberschenkel vor. Laine, dem beim Seilspringen nicht einmal der Schweiß ausgebrochen war, ging zum Sandsack für Kickboxing. Er beherrschte die Technik, seine Schläge und Tritte waren sicher und kraftvoll. Ich hörte das dumpfe Geräusch, mit dem Hände und Füße den Sack trafen. Als ich mit dem Stretching begann, merkte ich, dass Laines Blick nicht auf dem Sandsack lag, sondern auf mir.
Auch ich stellte mir beim Boxen manchmal vor, der Sandsack wäre jemand, auf den ich gerade wütend war, ich sah Blut und hörte Knochen knacken. Allerdings war der Gegenstand meiner Aggressionen nie im selben Raum gewesen.
Warum wünschte sich Laine, auf mich einzudreschen?
Ich zwang mich, meine Dehnübungen in aller Ruhe durchzuziehen, und wechselte ein paar Worte mit den Frauen von der Passabteilung, die gerade hereinkamen. Dann ging ich noch rasch unter die Dusche. Ich war an der Reihe, Iida abzuholen, daher musste ich spätestens um halb fünf Feierabend machen. Für Helvi, unsere Tagesmutter, begann der Arbeitstag schon um Viertel nach sechs, wenn das erste Kind gebracht wurde, und ihr Stundenlohn war nicht gerade fürstlich.
Koivu hatte mir keine Nachricht über die Ergebnisse der DNA-Tests hinterlassen, und im Computer fand ich sie auch nicht. Ich klopfte an die Tür des Dienstzimmers, das er sich mit Puupponen teilte, traf dort aber nur den Letzteren an, der konzentriert auf den Bildschirm seines PC starrte.
»Hallo, weißt du, wo Koivu steckt? «
Puupponen schrak hoch, sein Gesicht wurde rot. Surfte er auf Pornoseiten?
»Er ist mit Anu nach Helsinki gefahren, um ein geklautes Motorrad zu checken. Könnte unserem Täter gehören«, sagte er, während er wie wild mit der Maus klickte. Ganz offensichtlich wollte er das Dokument vom Bildschirm verschwinden lassen, bevor ich es zu Gesicht bekam. Da ich ebenso neugierig wie boshaft bin, trat ich hinter ihn, doch er hatte es schon geschafft, sein Dokument zu schließen.
»Arbeitest du an dem Skateboardraub? Wie geht es der alten Frau Grönberg? «
»Sie ist heute aus dem Krankenhaus entlassen worden. Es wird höchstens auf leichte Körperverletzung hinauslaufen. Das Raubdezernat vernimmt die beiden Jungen gerade, Virtanen hatte einen guten Tipp gekriegt«, antwortete er. »Hast du je von einem Drink namens Bloody Idiot gehört? «
»Nee. Was soll das sein? «
»Fernet Branca, Tomatensaft und Knoblauch . «
»Uii! Seit wann trinkst du so was? «
»Tu ich gar nicht. Ich dachte nur… Ein paar von uns haben irgendwann mal versucht, sich möglichst grausige Drinks auszudenken. Die Mischung hat also bisher noch keiner erfunden? «
»Eine so perverse Phantasie hat nicht jeder«, versetzte ich, und Puupponen grinste zufrieden.
»Ich mixe dir einen, wenn wir Seppälä geschnappt haben«, versprach er.
»Es deutet alles auf ihn hin, oder? «
»Fast alles«, nickte ich. Da Koivu nicht erreichbar war, machte ich mich auf den Heimweg.
Der Frühling schien zum Stillstand gekommen zu sein. Das Stadium des allerzartesten Grünschleiers dauerte nun schon seit Wochen an. Die Knospen öffneten sich nur langsam, die Blätter wuchsen höchstens einen halben Millimeter pro Tag. Während die Buschwindröschen sonst oft schon am Muttertag verblüht waren, sprossen in diesem Jahr immer wieder neue hervor. Ich hatte nichts gegen einen ausgedehnten Frühling, sofern ihm ein richtiger Sommer folgte statt einer undefinierbaren Jahreszeit, in der monatelang abwechselnd Regen und Schneeregen fiel und es nie wärmer wurde als zehn Grad. Als Kind war ich am Ersten Mai manchmal zwischen den letzten Eisstückchen im See geschwommen und hatte meinen zwei Jahre älteren Vetter gehänselt, der sich nicht ins Wasser traute.
Die Kinder spielten auf dem von Einfamilienhäusern umgebenen Spielplatz, außer Helvis Schützlingen waren auch Nachbarskinder dabei.
Ein kleiner Junge, der noch nicht laufen konnte, saß in seinem Jeansoverall mitten im Sandkasten, patschte mit der Schaufel auf den Sand und rief fröhlich »Pap päp pää! «, was meiner Erfahrung nach alles heißen konnte. Iidas Universalwort, mit dem sie von Fragen bis zu Befehlen fast alles ausdrücken konnte, war »Kää« gewesen. An
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