Wie man sie zum Schweigen bringt
Suvi plötzlich. »Entschuldigung. Krieg ich deswegen eine Anzeige? «
»Nein«, beruhigte ich sie. »Hast du Verwandte oder Freunde, die bei dir und den Kindern bleiben können? Oder kennst du beim Sozialamt jemanden, den du um Hilfe bitten kannst? «
»Die Sozialtypen will ich auf keinen Fall! «, kreischte sie. »Wir brauchen keinen, wir haben uns . «
»Du musst nicht allein mit allem fertig werden. Du hast Anspruch auf Hilfe . «
»Als ob du dir etwas daraus machst, wie ich mich fühle! «, rief sie und schaukelte derart heftig auf ihrem Sitz, dass ich halb befürchtete, sie würde den Wagen allein durch ihre Bewegungen in den Graben befördern. »Du wolltest doch nichts anderes, als Marko den Mord an diesem Schwulen anzuhängen! «
Als ich von der Autobahn abfuhr, klingelte mein Handy, Taskinen erkundigte sich, wo ich steckte. Er war bereits über den Leichenfund informiert.
»Ich bringe gerade Seppäläs Frau nach Hause . «
»Das ist natürlich wichtig, aber nicht unbedingt Chefsache.
Du wirst hier gebraucht, Maria. Irgendwer hat der Presse einen Tipp gegeben, und jetzt hab ich die Meute am Hals. Die Pressesprecherin und ich wissen zu wenig, um ihre Fragen beantworten zu können . «
»Ich komme«, seufzte ich und beendete das Gespräch. Am liebsten hätte ich das Handy ganz abgeschaltet, aber das durfte ich natürlich nicht tun. Wieder fragte ich Suvi, wen sie zu sich bitten könnte, schlug eine Nachbarin oder jemanden von der Kirche vor, bis sie schließlich erklärte, sie werde ihren Bruder anrufen.
»Er sagt natürlich, Marko hätte nur bekommen, was er verdient, aber die Kinder mag er wirklich. Da ist die Schule, halt mal an! Wir warten auf Janita und Tony. Ich erzähl es ihnen aber erst zu Hause, sonst verspotten die anderen Kinder sie als Heulsusen . «
Ich war in der dritten Klasse, als der Vater meines Freundes Jaska starb. Trotzdem kam Jaska zum Unterricht, er saß schluchzend in der Bank hinter mir, als die Lehrerin ihm ihr Beileid aussprach. Nach all den Jahren erinnerte ich mich immer noch an das Gefühl totaler Hilflosigkeit, das mich überkam, als ich Jaska weinen hörte. Ich hätte ihn gern getröstet, aber was kann eine Neunjährige ausrichten? Am nächsten Tag wurden Esa und ich stellvertretend für unsere Klasse entsandt, um im Trauerhaus Blumen abzugeben. Jaskas Mutter bat uns ins Wohnzimmer, bot uns Saft an und behandelte uns wie Erwachsene. Auch sie hätte ich gern getröstet, fand aber keine Worte. Wie ich später hörte, hatte sie sich darüber gewundert, dass die Lehrerin Kinder vorschickte, statt persönlich zu kondolieren. Sie hatte sich vor der schwierigen Situation gedrückt.
Ich reichte Suvi mein Handy, damit sie ihren Bruder anrufen konnte. Sie sprach ruhig und gefasst mit ihm, wie jemand, der bereits seit langem das Schlimmste geahnt hat und erleichtert ist, nicht länger in Ungewissheit zu schweben.
»Was ist mit Markos Eltern und sonstigen Verwandten? Soll die Polizei sie benachrichtigen, oder willst du es selbst tun? «
»Marko hat seinen Vater nicht gekannt, und seine Mutter hat sich kurz vor unserer Hochzeit zu Tode gesoffen. Es ist niemand da, der benachrichtigt werden muss. Marko hat nur uns gehabt . «
Die ersten Kinder strömten aus der Schule, daher beeilte ich mich zu sagen: »Danke für den Hundertmarkschein, er wird uns vielleicht weiterhelfen. Hat Marko dir erzählt, von wem er ihn bekommen hat? «
»Nein«, erwiderte Suvi schneidend und löste den Sicherheitsgurt, als sie Tony und Janita auf dem Schulhof erblickte. Sie machte die Tür auf und rief nach ihren Kindern, die erstaunt waren, ihre Mutter mitten am Tag zu sehen.
»Wir haben heute früher frei«, log sie mit strahlendem Lächeln und schnallte die beiden auf dem Rücksitz an. »Jetzt fahren wir noch zur Kita und holen Diana ab . « Majestätisch bedeutete sie mir, den Motor anzulassen, als wäre ich ihr Chauffeur. Es waren nur ein paar hundert Meter zur Kindertagesstätte. »Die Tante leistet euch solange Gesellschaft . « Sie stieg aus, steckte aber den Kopf noch einmal herein und blinzelte mir verschwörerisch zu: »Say nothing . «
»Wer bist du? «, fragte Tony, sobald seine Mutter gegangen war.
»Eine Freundin von eurer Mutter . «
»Gar nicht wahr, du bist bei den Bullen. Du warst mal im Bullenauto bei uns! «, fauchte Janita. »Wenn du Vati holen willst, hast du Pech gehabt. Er ist nicht da . «
»Ich weiß. Ich bringe euch nur nach Hause .
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