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Wie Pferde denken und fühlen - Wendt, M: Wie Pferde denken und fühlen

Wie Pferde denken und fühlen - Wendt, M: Wie Pferde denken und fühlen

Titel: Wie Pferde denken und fühlen - Wendt, M: Wie Pferde denken und fühlen
Autoren: Marlitt Wendt
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erwachsenen Pferden beobachten.
    Gefühle als Kommunikationsstrategien
    Gefühle als Kommunikationsstrategien
    Wir haben bereits festgestellt, dass Emotionen selten in „Reinform“ vorkommen, sondern meist eine Überlagerung verschiedener Gefühlszustände darstellen und damit auch zu einem inneren Konflikt führen können.
    Herdentiere wie Pferde haben verschiedene Kommunikationsstrategien entwickelt, um ihren Artgenossen oder dem Menschen zu zeigen, wie sie sich fühlen. Sie versuchen außerdem, mit diesen Strategien den größtmöglichen Nutzen für sich selbst zu erwirken. Man kann sich dieses Prinzip als eine Art „Kosten-Nutzen-Rechnung„ vorstellen: Als „Kosten“ für ein Verhalten wird zum Beispiel die Energie bewertet, die nötig ist, um einen Futterrivalen in die Flucht zu schlagen. Der „Nutzen“ wäre dann beispielsweise das Stillen des Hungers und das damit verbundene längere Leben. Das Gehirn eines Pferdes wird also immer wieder aufs Neue unbewusst über „Kosten“ und „Nutzen“ einer Verhaltensreaktion entscheiden und dann im Bruchteil einer Sekunde reagieren.
     

    Ständige Entscheidungsnot: Jedem Pferd stehen in jeder Situation grundsätzlich vier Handlungsoptionen zur Verfügung: Flucht, Kampf, Erstarrung oder Verhandlung.
     
    Prinzipiell stehen allen Säugetieren in allen Situationen nur vier verschiedene Handlungsoptionen zur Verfügung. Diese werden von der angelsächsischen Wissenschaft als die „vier F's“ bezeichnet und stellen die möglichen Alternativen in einer Konfliktsituation dar.
    Um das dahinter stehende fundamentale Prinzip zu verdeutlichen, möchte ich ein kurzes Beispiel aus dem menschlichen Bereich anführen: Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in der U-Bahn und werden von einem betrunkenen Fahrgast belästigt. Je nach Ihrer individuellen mentalen Gemütslage werden Sie zu einer der vier folgenden Handlungsoptionen tendieren:
    1. Sie werden fluchtartig die Bahn verlassen (flight/fliehen), um der unangenehmen Lage möglichst schnell zu entkommen.
    2. Sie treten dem Störenfried einfach gegen das Schienbein (fight/kämpfen), damit er von Ihnen ablässt und Sie Ihre Ruhe haben.
    3. Sie erstarren und blicken unbeirrt aus dem Fenster (freeze/erstarren) in der Hoffnung, dass der Betrunkene hoffentlich bald den Zug verlässt.
    4. Sie führen eine belanglose Unterhaltung mit dem aufdringlichen Fahrgast (flirt/kommunizieren), um die Situation zu entschärfen und Sympathie zu erwecken.
     
    Diese vier Handlungsstrategien gelten ebenso für Pferde. Jedes Pferd wird immer eine dieser Handlungsoptionen wählen, wenn es sich einer neuen oder ungewohnten Anforderung gegenüber sieht. Wenn ein Pferd also beispielsweise Angst verspürt, kann es fliehen (flight) und dabei auf seine schnellen Beine hoffen, angreifen (fight) und sich auf die eigene Kraft und Kampferfahrung verlassen, erstarren (freeze) und darauf hoffen, dass es damit die Konfliktbereitschaft des anderen mildert, oder kommunizieren (flirt) und eine kampflose Einigung bewirken.
Folgenreiche Übersetzungsfehler
    Folgenreiche Übersetzungsfehler
    Wir haben also erfahren: Nicht jedes Pferd zeigt bei empfundener Angst zwangsläufig das typische Fluchtverhalten, sondern es können auch die anderen Optionen wie Erstarren, Kommunizieren oder Angreifen gewählt werden. Die tatsächlich empfundene Emotion ist dabei nicht an der gewählten Strategie zu erkennen! Ein erstarrtes Pferd empfindet möglicherweise ebensolche Angst wie ein nervös umherspringendes. Leider wird allzu oft vorschnell über die Motive eines Pferdes geurteilt. Wir sollten die Handlungsweisen der Pferde nicht bewerten, sondern versuchen, die dahinter verborgenen Emotionen zu erkennen und dementsprechend angemessen auf das Pferd einzugehen.
    Pferde werden leider häufig bestraft, weil sie unseren Erwartungshaltungen nicht entsprechen, obwohl ihr Handeln oftmals doch nur von ihrer empfundenen Angst bestimmt wird. Ängste zu bestrafen ist nicht nur grausam und gedankenlos, sondern zudem äußerst gefährlich. Denn jedes noch so „brave“ oder „ruhige“ Pferd wird ab einem gewissen Punkt zum Angriff übergehen, wenn wir übersehen, dass es Angst oder Stress dauerhaft ausgeliefert ist. Irgendwann ist die Verzweiflung so groß, dass es für das Tier nichts mehr zu verlieren gibt, dann bleibt nur die Option zu kämpfen.
     

    So lange man die Situation nicht kennt, ist schwer zu sagen, ob ein Pferd gelassen ist, wenn es scheinbar ruhig stehen bleibt, oder ob es
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