Wie Pferde denken und fühlen - Wendt, M: Wie Pferde denken und fühlen
gering betrachten und sie nur nach menschlichen Maßstäben bewerten. Möglicherweise verstehen sie mehr von unserer Sprache als wir von ihrer. Immerhin macht auch beim Pferd das Großhirn den Hauptbestandteil des Gehirns aus. Beim Menschen entfallen etwa 80 Prozent der Gehirnmasse auf das Großhirn, beim Pferd etwa 67 Prozent (beim Meerschweinchen sind es lediglich 40 Prozent). Starke Unterschiede gibt es in der Bedeutung und Ausdehnung einzelner Teile der Großhirnrinde. Das Pferd hat eine sehr aktive und wichtige Region im Gehirn, die für die Verarbeitung von Informationen aus der Nüstern- und Maulregion zuständig ist. Im Gegensatz dazu haben wir Menschen einen sehr großen Bereich, der diejenigen Informationen verarbeiten kann, die uns das Auge übermittelt.
Die Gehirne von Mensch und Pferd im Größenvergleich: Beim Menschen ist das Großhirn (blau / 1) stark ausgeprägt, aber auch beim Pferd überwiegt dieser Teil des Gehirns gegenüber dem Kleinhirn (rot / 2).
Lebensfreude pur – wer möchte einem Pferd Gefühle wie Glück oder Zufriedenheit absprechen?
Quelle des Glücks
Quelle des Glücks
Zwischen den einzelnen Nervenzellen im Gehirn besteht ein reger Kontakt aus elektrischen Impulsen und chemischen Botschaftern. Es wird also entweder wie beim Stromkreis ein Kontakt hergestellt oder ein Botenstoff von der einen Nervenzelle losgeschickt, um der anderen Nervenzelle eine Information zu überbringen. Diese Botenstoffe nennt man Neurotransmitter. Zwei der wohl bekanntesten Neurotransmitter sind die als „Glückshormone“ bezeichneten Botenstoffe Serotonin und Dopamin. Beide sind entscheidend an der Informationsübertragung und damit an der Herausbildung von Gefühlen beteiligt.
Menschen und Tiere, deren Serotonin- oder Dopaminproduktion gestört ist, können weniger Glück, Dankbarkeit oder Zufriedenheit erleben. Die störungsfreie Entstehung aller Gefühle basiert auf diesen kleinen Botenstoffen, von denen wohl einige Hundert verschiedene bereits bekannt sind. Wir können annehmen, dass auch Pferde in der Lage sind, Glück und Freude ähnlich zu empfinden wie wir, da sie dieselben für diese Gefühle zuständigen Botenstoffe besitzen wie der Mensch. Darüber hinaus findet sich auch im Gehirn von Pferden ein als Belohnungszentrum bekannt gewordener Bereich, der sogenannte Nucleus accumbens. Wird dieser Bereich durch ein freudiges Ereignis wie zum Beispiel einen entspannten Ausritt stimuliert, so wird sich das Pferd an dieses Erlebnis auch noch nach langer Zeit gern erinnern. Dieser Mechanismus ist elementar für einen effektiven Lernerfolg, denn mithilfe des Nucleus accumbens werden Lerninhalte mit einem positiven Gefühl verknüpft und so dauerhaft abgespeichert.
Lernen am Limit
Lernen am Limit
Gehirne benötigen sehr viel Energie, um korrekt arbeiten zu können und nicht zu ermüden. Aber das Gehirn arbeitet nicht nur, wenn es nachdenkt, sondern auch, wenn es sich mit vielen Sinneseindrücken auseinandersetzen muss. Dabei verbraucht das Gehirn des Menschen ständig unglaubliche 60 Prozent der im Körper verfügbaren Energie, beim Pferd sind es wohl immerhin etwa 30 Prozent seiner Energie. Bei einem Übermaß an Eindrücken wird es leicht überreizt, weil die Nervenzellen einige Zeit zur Erholung benötigen, bis sie wieder zur Verfügung stehen. Vielleicht denken Sie beim nächsten Turnierbesuch mal daran, dass Ihr Pferd nicht aus Boshaftigkeit zum Beispiel das Verladen auf den Anhänger boykottiert, sondern aufgrund von Stress und Überforderung seines Gehirns durch die vielen Eindrücke dieses unerwünschte Verhalten zeigt.
Wenn wir schlafen, verarbeitet das Gehirn im Traum die Erlebnisse des Tages. Auch Pferde verarbeiten ihre schönen und weniger schönen Erlebnisse im Traum, tief schlafende Pferde sieht man bisweilen mit den Beinen zucken oder hört sie wiehern. Manchmal fällt uns auf, dass eine Aufgabe, die an dem einen Tag noch nicht so gut verstanden wurde, am nächsten Tag scheinbar wie von selbst klappt. Das Pferd hat dann im Schlaf einen Lernfortschritt gemacht. Genauso haben wir häufig Geistesblitze, wenn wir uns entspannen. Manchmal bringt es wenig, weiter über die Lösung eines Problems nachzugrübeln. Wenn sich das Gehirn entspannt, arbeiten andere, an der Problemlösung vielleicht unbeteiligte Teile des Gehirns und können durch Assoziationen Verknüpfungen hervorrufen, welche dann urplötzlich zur Lösung des Problems führen.
Das Gehirn wächst mit seinen
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