Wie Rosenblätter im Wind: Mittsommerhochzeit (German Edition)
der Zeit ist, die Angelegenheit ein für alle Mal zu klären? Es ist doch jetzt schon fast zwei Jahre her.”
“Hallström soll sich zum Teufel scheren! Ich habe ihm bereits alles gesagt, was es zu sagen gibt. Warum lässt dieser Blutsauger mich nicht endlich in Ruhe?”
Im Grunde kannte Mårten die Antwort natürlich selbst: Er hatte einen Vertrag mit seiner Plattenfirma geschlossen, in dem er sich zur Produktion einer bestimmten Anzahl von Alben verpflichtete, und dieser Verpflichtung kam er nun schon seit zwei Jahren nicht nach. Bisher hatte man große Geduld mit ihm gezeigt, doch mittlerweile spitzte sich die Lage immer mehr zu. Kein Wunder, dass sein Manager langsam nervös wurde!
“Aber es hat doch keinen Sinn, die Sache totzuschweigen! Warum erklärst du ihm und den Leuten von der Plattenfirma nicht, was wirklich mit dir los ist? Wenn sie erfahren, was …”
“Keiner wird davon erfahren, hörst du?”, fiel Mårten ihm brüsk ins Wort. Allein die Erinnerung an jene Tragödie, die sein Leben vor beinahe zwei Jahren bis in die Grundfesten erschüttert hatte, hielt er kaum aus. Sein Vater war tot – und er trug dafür die Verantwortung. Schlimmer noch, er hatte ihn und sich selbst der Möglichkeit beraubt, einander richtig kennenzulernen. Die Schuld lastete wie ein tonnenschweres Gewicht auf seinen Schultern und hatte ihm die Fähigkeit genommen, das zu tun, was er auf der Welt am meisten liebte: Musik zu machen.
Sicher war es durchaus möglich, dass es stimmte, was Thorbjörn sagte. Vielleicht würden sein Manager und die Plattenbosse tatsächlich verständnisvoll reagieren, wenn sie die Wahrheit erfuhren. Doch er konnte einfach nicht darüber reden, und darum musste er mit den Konsequenzen leben.
Etwas ruhiger fuhr er nun fort: “Ich will es nicht, respektier das bitte endlich. Du meinst es nur gut, das weiß ich ja, aber misch dich nicht ein.” Er zwang sich zu einem Lächeln. “Ach, ehe ich es vergesse: Wir werden in der nächsten Zeit einen Besucher im Haus haben.”
“Wirklich?”, fragte der alte Matrose verblüfft. Mårten lud nicht gerade oft Gäste ein. “Wer kommt denn?”
“Milla.”
“Milla Rosenblad? Wolltest du dich nicht heute mit ihr treffen, um ihr zu erklären, dass du ihr nicht helfen kannst?” Thorbjörns Miene verfinsterte sich. “Was hast du vor? Du planst doch etwas, das sehe ich dir an.”
“Allerdings.” Mårten nickte. “Ich werde das Kapitel Milla endgültig zu einem Abschluss bringen.”
“Das gefällt mir nicht.” Der alte Matrose schüttelte den Kopf. “Es gefällt mir ganz und gar nicht. Aber vermutlich steht es mir nicht zu, darüber zu urteilen.” Er warf Mårten noch einen Blick zu, der zu sagen schien:
Hoffentlich weißt du, was du tust
, dann brummte er ein knappes “
God Natt”
und schlurfte zur Tür.
Nachdenklich blickte Mårten seinem väterlichen Freund noch einen Moment hinterher, ehe auch er die Küche verließ und die enge Wendeltreppe nach oben in die erste Etage der Mühle stieg, wo sowohl sein Schlaf- als auch das Musikzimmer lagen.
Vor der Tür des letzteren blieb er kurz stehen. Mit einer Mischung aus Sehnsucht und Schwermut strich er über das dunkle Eichenholz, dann wandte er sich rasch ab. Es machte keinen Sinn, Dingen nachzutrauern, die man ohnehin nicht ändern konnte. Aber das Herz war ein sehr eigenwilliger kleiner Muskel – und manchmal weigerte es sich einfach auf das zu hören, was der Verstand und die Logik ihm sagten.
Nervös betrat Milla am Morgen des übernächsten Tags den Vorplatz der im neugotischen Stil errichteten Riddarsholmkyrkan. Der neunzig Meter hohe spitz zulaufende Turm der Kirche überragte die meisten Gebäude der kleinen Altstadtinsel, nach der das Gotteshaus benannt war. Nicht zum ersten Mal warf Milla einen nervösen Blick auf ihre Armbanduhr. Es war bereits kurz vor halb neun, und mit jeder Minute, die verstrich, wuchs ihre Aufregung.
Es sah Mårten gar nicht ähnlich, zu spät zu kommen. Ob er es sich im letzten Augenblick noch anders überlegt hatte?
Ein Teil von ihr hoffte sogar, dass er nicht mehr kommen würde. Die Aussicht, die nächste Zeit mit ihm zu verbringen, jagte ihr schreckliche Angst ein. Trotzdem kam ein Rückzieher für sie nicht infrage. Von ihrem Erfolg in dieser Sache hing einfach zu viel ab.
Milla hatte bei Hofe erklärt, dass sie bereits erste Vorbereitungen mit Mårten treffen wollte. Ihr war klar, dass sie sich damit womöglich in noch größere Schwierigkeiten brachte,
Weitere Kostenlose Bücher