Wie Rosenblätter im Wind: Mittsommerhochzeit (German Edition)
Mühle zu bewahren. Und so drehten sich die großen Flügel auch heute noch immer im Wind. Nur die Blumenkästen an den Fenstern ließen erahnen, dass hier schon längst kein Korn mehr gemahlen wurde.
Als Mårten mit seinem Volvo vor der Mühle vorfuhr, trat ein älterer Mann aus einem Nebengebäude.
“Thorbjörn”, erklärte Mårten einsilbig. “Er arbeitet für mich.”
Der Mann zog sich seine marineblaue Kapitänsmütze vom Kopf, als er Milla erblickte. “
Hjärtligt välkomna”
, sagte er und fuhr sich nervös durch sein silbergraues Haar. “Sie müssen Milla sein. Es freut mich sehr, Sie kennenzulernen. Mårten hat mir schon viel von Ihnen er…”
“Lass sie doch erst einmal zu Atem kommen”, unterbrach Mårten ihn lächelnd. “Ihr werdet schon genug Gelegenheit bekommen, euch miteinander bekannt zu machen.”
Doch der ältere Mann, der Milla auf Anhieb sympathisch war, dachte gar nicht daran, seine Willkommenszeremonie abzukürzen. Er maß Mårten mit einem tadelnden Blick und fuhr einfach fort, so als habe dieser gar nichts gesagt. “Mein Name ist Thorbjörn”, erklärte er, griff nach Millas Hand und schüttelte sie. Dann wandte er sich an Mårten. “Trag doch das Gepäck deines Gasts schon einmal hinein, ich werde uns in der Zwischenzeit in der Küche einen Kaffee aufbrühen. Und dazu gibt es ein Stück Blaubeerkuchen, den ich heute Morgen gebacken habe. Es ist wirklich schön, mal Besuch im Haus zu haben und …” Noch immer redend verschwand er im Innern der Mühle.
“Thorbjörn ist früher zur See gefahren”, sagte Mårten, so als würde das alles erklären.
“Er ist dein Angestellter?”
Seufzend zuckte er mit den Schultern. “Um ehrlich zu sein, manchmal weiß ich selbst nicht so genau, was er für mich ist. Ein Freund, schätze ich. Ein guter Freund, der für mich da war, als ich ihn brauchte.”
Milla nickte. Sie wusste genau, was er meinte, denn ihr hatten vor allem ihre beiden Schwestern den Rücken gestärkt, als sie nach der Trennung von Mårten in den ersten Monaten ihrer Schwangerschaft in eine tiefe Depression gestürzt war. Was mochte ihm zugestoßen sein, das ihn zu dem Mann gemacht hatte, der er heute war? Denn daran, dass er sich in den fünf Jahren seit ihrer letzten Begegnung verändert hatte, bestand kein Zweifel.
Sie wagte es nicht, ihn danach zu fragen. Die Kluft zwischen ihnen war noch immer zu groß. Aber vielleicht später, eines Tages …
Kaum merklich schüttelte sie den Kopf. Eigentlich sollte es sie nicht einmal interessieren, was sich nach der Zeit mit ihr in seinem Leben zugetragen hatte. Es ging sie nichts an und half ihr auch nicht dabei, das Ziel zu erreichen, das der einzige Grund gewesen war, überhaupt auf Mårtens Bedingungen einzugehen.
So schön es hier draußen auch sein mag, du solltest nie vergessen, warum du hier bist. Es geht darum, dein Ziel zu erreichen. Nichts anderes ist wichtig!
“Komm”, sagte Mårten und riss sie damit aus ihren Gedanken. “Wir wollen Thorbjörn nicht warten lassen.” Er nahm ihren Koffer aus dem Wagen und trug ihn zur Mühle herüber.
Milla atmete noch einmal tief durch und folgte ihm. Zu ihrer eigenen Überraschung stellte sie fest, dass ihre Furcht davor, die nächste Zeit an diesem Ort zu verbringen, sich scheinbar in Luft aufgelöst hatte. Doch an ihre Stelle war etwas anderes getreten, das ihr mindestens ebenso zu schaffen machte.
Die Angst davor, ihren gemeinsamen Aufenthalt mit Mårten in der alten Mühle vielleicht zu sehr zu genießen.
5. KAPITEL
A m nächsten Morgen wurde Milla vom Gesang eines Sperlings geweckt, der auf ihrem Fensterbrett saß und sein braunschwarzes Gefieder putzte.
Verschlafen setzte sie sich auf und streckte sich. Hinter ihr lag eine überraschend ruhige und erholsame Nacht. Normalerweise schlief sie nur ungern außer Haus, weil sie in fremder Umgebung sehr schwer oder gar nicht einschlafen konnte.
Die alte Mühle wirkte jedoch beruhigend auf sie.
Rasch schüttelte sie den Kopf. Was spielte das für eine Rolle? Immerhin war sie nicht hier, um sich zu erholen. Das durfte sie nicht vergessen.
Seufzend stand sie auf, trat ans Fenster und öffnete es. Der Vogel ließ sich von ihr gar nicht stören. Nur einmal schaute er kurz in ihre Richtung, hielt sie aber offenbar für nicht interessant genug, um sich durch sie von seiner Beschäftigung abhalten zu lassen.
Die wunderbare Aussicht von dem kleinen Gästezimmer aus zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht. Was für ein
Weitere Kostenlose Bücher