Wie Samt auf meiner Haut
geträumt, von einer Frau, die sein Leben teilte und
die zu ihm gehörte, wie Vater und Mutter es ihm vorgelebt hatten. Diese Träume
waren auf den blutdurchtränkten Planken eines gekaperten britischen Schoners
zerstört worden, für immer vernichtet durch einen gnadenlosen, tödlichen Gewaltakt,
der ihn mit dem Abschaum der Menschheit auf eine Stufe stellte.
Wieder
tauchten die Bilder vor seinem geistigen Auge auf, ohrenbetäubender
Kanonendonner, Pulvergeruch in der Luft, schreiende Frauen, die auf das
brennende Deck gezerrt wurden.
Mit
heftigem Kopfschütteln wollte Jason diese Erinnerun gen verscheuchen. Seine
Finger umfaßten den Hals der Brandykaraffe so fest, daß die geschliffenen
Glasränder in sein Fleisch schnitten.
Unter
Aufbietung seiner ganzen Willenskraft verdrängte er die grausigen Gedanken,
stellte die Karaffe auf den Boden und stand auf, um sich auszuziehen. Er legte
seine verknitterte Jacke und Weste ab und schälte sich aus seinem weißen
Batisthemd. Seine Trunkenheit reichte nicht aus, um Schlaf zu finden, er hoffte
aber, sich wenigstens ausruhen zu können, und wenn es nur eine Stunde war. Was
immer das Schicksal für ihn bereithielt, er brauchte einen klaren Kopf, wenn
er die vor ihm liegenden Tage überleben wollte.
Seine
Müdigkeit und der Brandy machten seine Bewegungen unsicher. Er schimpfte
halblaut, als er einen Tisch streifte, diesen umstieß und ein bereitstehender,
noch unberührter Brandy-Schwenker klirrend auf dem Boden landete.
Fluchend
verwünschte er sein Pech, das Spiegelbild der Ereignisse des Tages zu sein
schien.
Velvet hörte aus dem angrenzenden Raum das
Klirren von zerbrechendem Glas. Jason war noch wach, wie sie vermutet hatte.
Celias Ermordung hatte ihn in tiefe Depressionen gestürzt. Er war überzeugt,
mit ihr sei seine letzte Hoffnung auf Rehabilitierung gestorben.
Beim
Abendessen hatte Velvet versucht, ihn aufzuheitern und ihm in allen
Einzelheiten den Besuch beim Konstabler geschildert, der sich mit ihrer Version
des Mordes zufriedengegeben hatte, und daß die Polizei überzeugt war, es
handelte sich bei dem Mörder um einen Einbrecher, der es sicher auf den Schmuck
der Countess abgesehen hatte. Sie hatte Jason zu beruhigen versucht und gesagt,
daß sie im Moment nichts zu befürchten hätten, er aber hatte nur genickt und
sich mit einer
lahmen Entschuldigung auf sein Zimmer zurückgezogen.
Kurz darauf
hatte er sich von einem Diener Brandy auf sein Zimmer bringen lassen. Seither
hatte sie nichts mehr von ihm gehört.
Als sie nun
lauschte, vernahm sie Jasons Bewegungen durch die Trennwand hindurch.
Herzklopfend stand Velvet auf, zog ihren gesteppten Morgenmantel an und ging zu
seiner Tür, die er nicht versperrt hatte. Da Celias Mörder frei herumlief, war
Jason um ihre Sicherheit äußerst besorgt und wollte im Falle einer Gefahr
möglichst rasch zu ihr gelangen können.
Leise
drehte sie den Knauf, öffnete die Tür und trat ein. Lange, dunkle Schatten
erfüllten den Raum, in dem eine heruntergebrannte Kerze gelblich-trüb
flackerte. Jason kniete mit dem Rücken zu ihr neben einem kleinen kunstvoll verzierten
Tischchen und sammelte die Scherben des Brandyglases auf. Sein
sonnengebräunter Oberkörper schimmerte im matten Kerzenschein. Er war nackt bis
zur Taille und trug nur Breeches und Stiefel.
Als er sie
eintreten hörte, richtete er sich auf und wollte sich umdrehen, aber sie hatte
bereits die kreuz und quer verlaufenden weißen Narben gesehen, die ein
wulstiges Muster auf seinem Rücken bildeten.
Ehe sie
sich zügeln konnte, verriet ein erschrockenes Japsen ihr Entsetzen. Jason
stieß eine Verwünschung aus, legte die Scherben auf den Tisch und ging auf sie
zu. »Was willst du, Velvet? Anklopfen hast du wohl nicht gelernt?«
Ihre
Unterlippe zitterte. Ihr war speiübel. »Dein ... dein Rücken. O Gott, Jason –
was um Himmels willen ist dir zugestoßen? Was hat man dir angetan?«
Er blieb
wie angewurzelt stehen. Sein Gesicht wurde hart, seine Züge verschlossen und
abweisend. »Ich wurde ausgepeitscht. So verfährt man mit Verbrechern, Velvet.
Ich bin kein Mensch, der sich leicht fügt, Befehlen zu gehorchen, fällt mir
schwer, da ich zum Erben eines Herzogs erzogen wurde. Mich zu brechen, dauerte
länger als bei den anderen.«
Ihre Augen
füllten sich mit Tränen. Wie kam es, daß es ihr nicht aufgefallen war? Daß sie
es nicht gespürt hatte? Aber bei den wenigen Malen, die sie sich geliebt hatten,
hatte sie sich ihm so leidenschaftlich
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