Wie Samt auf meiner Haut
auf, ging zu ihm und umarmte ihn fest. »Jason, ich habe Angst.«
Er drückte
ihr einen Kuß aufs Haar. »Es ist ganz gut, wenn man Angst hat. Wichtig ist nur,
daß man sich durch die Angst nicht von seinem Ziel abbringen läßt.«
»Unser Plan
ist nicht ungefährlich«, gab Lucien ihr recht. »Aber wenn er klappt, wird Jason
frei sein.«
Jason legte
eine Hand an ihre Wange. »Velvet, ich muß das Risiko eingehen. Meines Vaters
wegen. Und auch meinetwegen. Die Zeit drängt.«
»Barnstable
und Ludington werden mitkommen«, setzte Lucien hinzu. »Sie sollen draußen
Posten beziehen und uns warnen, wenn Gefahr im Anzug ist, worauf wir den Plan
fallenlassen und den Rückzug antreten.«
»Jason, so
glatt wird das sicher nicht ablaufen.«
Lucien kam
federnden Schrittes auf sie zu. »Kopf hoch, Mylady. Der Plan ist gut. Dank
Averys Arroganz, die ihn zu der Meinung verleitet, er sei unantastbar, haben
wir jeden Grund zu der Annahme, daß unser Plan funktionieren wird. Wir brauchen
ja nur eine kleine Unachtsamkeit, eine Andeutung seinerseits, daß er bei dem
Mord seine Finger im Spiel hatte. Wenn wir ihn zum Reden bringen, könnte es
sein, daß er sich selbst belastet. Dieses Eingeständnis und die Beweise, die
wir schon haben, sind mehr als ausreichend, um Jasons guten Namen wieder
herzustellen.«
»Das
stimmt.« Jason strich mit dem Finger Velvets Kinn entlang. »Wir müssen ihn in
die Enge treiben, ihn dazu bringen, wenigstens einen Teil der Wahrheit
zuzugeben.« Er wandte sich an seinen Freund. »Das Treffen ist für den morgigen
Abend festgesetzt?«
»Er bekommt
die Nachricht in diesem Moment. Und morgen werden wir sehen, ob unser Plan
klappt.«
Avery überflog die Botschaft, die sein
Diener ihm eben übergeben hatte. Nachdem er sie noch einmal gelesen hatte,
hieb er mit der Faust auf den Tisch. Trotz aller seiner sorgfältig
ausgeklügelten Pläne, trotz der langen Zeit, die es gedauert hatte, bis er sich
völlig abgesichert glaubte, wußte jemand etwas über den Mord an seinem Vater!
Verdammt! Das hatte ihm gerade noch gefehlt.
Eine halbe
Stunde später saß er in seinem Arbeitszimmer hinter dem Schreibtisch, ihm
gegenüber hatte sich Baccy Willard aufgebaut, breitbeinig, die knotigen Hände
verschränkt.
Avery
schwenkte den Brief wie eine pestverseuchte Flagge. »Acht Jahre, und man
belästigt mich schon wieder mit dieser verteufelten Sache. Wer immer er sein
mag, dieser Schurke besitzt die Frechheit, ein Treffen zu fordern. Ist das zu
fassen? Ich soll mit dem Geld in einen verlassenen Lagerschuppen an den Docks
kommen. Allein.«
»Das
sollten Sie nicht.«
»Ich weiß.
Ich bin doch nicht blöd.«
Baccy stand
abwartend da.
»Ich möchte
wissen, wer dieser Mann ist und was er weiß.« Wieder wedelte er mit dem Papier,
während er in Gedanken rasch die Ereignisse der letzten Wochen Revue passieren
ließ. »Dieses verflixte Mädchen hat damit zu tun – das spüre ich. Es kann
kein Zufall sein, daß Velvet Moran vor ein paar Wochen ihre Nase überall
hineinsteckte und die Vergangenheit auszugraben versuchte. Ihre Freundschaft
mit Celia kam allzu gelegen und zeitgerecht. Sie hat etwas gesucht – aber was?
Warum will sie etwas über einen acht Jahre zurückliegenden Mord in Erfahrung
bringen? Was hat sie damit zu gewinnen?«
»Tja,
vielleicht steckt jemand anderer dahinter, der es wissen möchte.«
Avery
schaute auf. Mitunter war Baccy viel schlauer, als er aussah. »Wer zum
Beispiel?«
Der Mann zog
seine mächtigen Schultern hoch. »Keine Ahnung. Ihr neuer Ehemann vielleicht.
Könnte ja sein, daß er das Geld möchte.«
Avery
schüttelte den Kopf. »Der Mann hat doch die Haversham-Erbin ergattert. Der
braucht kein Geld.« Ganz plötzlich furchte er die Stirn, seine Gedanken setzten
sich in Bewegung, griffen Einzelheiten auf und versuchten, sie zu einem Ganzen
zusammenzufügen. »Welchen anderen Grund könnte ein Mensch haben, Baccy?«
Der Riese
zuckte mit den Achseln. »Weiß ich nicht.«
»Rache, ja,
das ist es. Vielleicht war der Mann, den sie heiratete, mit meinem Vater
befreundet. Oder mit meinem Bruder. Vielleicht ist er sogar mit mir verwandt,
ein außerehelicher Sproß meines Vaters, von dem ich nichts weiß.«
Baccy
schwieg, und Avery stand auf. »Du hast ihn gesehen. Wie schaut er aus?«
»Wer?«
»Velvets
Ehemann, von dem eben die Rede war.«
»Ach so.«
Er scharrte mit seinem riesigen Fuß. »Groß, denk' ich. Fast so wie ich. Braunes
Haar.« Er blickte auf. »Er trägt Brille. Aber
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