Wie Samt auf meiner Haut
tötete
sie. Es war Mord.«
»Du hast
sie gerettet. Auf die einzige Weise, die dir zu Gebote stand. Sie weiß es, wo
immer sie sein mag. Mir wäre deine Kugel willkommen gewesen, und ihr war sie es
auch.«
Jason
schüttelte den Kopf. »Sie war nur ein Kind. Ein Kind! Und sie durfte
nicht mehr leben.«
Sie sah ihn
mit feuchten Augen an. »Und was ist mit dir, Jason? Du hast keinen einzigen
Tag wirklich gelebt, seit jenes Mädchen starb.«
In seiner
Kehle bildete sich ein dicker Kloß.
»Du bist
nur ein Mensch, Jason. Nur ein Mensch, der manchmal Fehler macht wie jeder
andere. Und manchmal Entscheidungen treffen muß. Damals hast du eine getroffen.
Du mußtest zwischen zwei schrecklichen Möglichkeiten wählen. Du wußtest, daß es
dich dein Leben kosten konnte, und doch hast du dem unschuldigen jungen Mädchen
geholfen, um seinem Leiden auf die einzig mögliche Weise ein Ende zu machen.«
Er rang
mühsam nach Luft. O Gott, er wollte nicht, daß sie ihn weinen sah. »Du bist nur
menschlich«, sagte Velvet. »Gott weiß das. Jason, mach deinen Frieden mit Gott.
Und was mich betrifft, so liebe ich dich mehr als zuvor. Ich habe recht
behalten. Du bist alles, was ich glaubte, daß du bist, und noch viel besser.«
Jason
schluckte den Kloß in seiner Kehle hart hinunter, nahm sie in die Arme und
drückte sie heftig an sich. »Ach Gott, Herzogin.« Er griff ohne Rücksicht auf
ihre kunstvolle Frisur in ihr Haar und zog die Nadeln heraus, bis ihr die
schweren Locken über den Rücken fielen. »Ich liebe dich, Herzogin, ich liebe
dich sosehr.«
Wieder
konnte sie gegen ihre Tränen nicht an. Er spürte, wie ihr Körper bebte, doch
als sie zu ihm aufschaute, sah er im schwachen Kerzenschein, daß sie selig
lächelte.
Sie zog ein
Taschentuch aus ihrer Rocktasche und trocknete ihre Augen. »Du liebst mich.
Das soll wohl heißen, daß es nicht nur Lust war.«
»Ich hoffte
immerzu, daß es Lust wäre.«
Ihr Lächeln
brach sich unwiderstehlich Bahn. Doch als sie etwas erwidern wollte, rumpelte
der Aufseher gegen die Tür.
»Zeit zu
gehen, Miß.« Der Schlüssel knirschte im rostigen Schloß, und die Tür schwang
quietschend auf.
Velvet sah
ihn an. »Jason, nun kann die Dunkelheit dir nichts mehr anhaben. Sie kann dir
nie wieder wehtun. Du bist aus der Finsternis ins Licht getreten, und die
Vergangenheit ist einfach nur Vergangenheit.« Sie streichelte seine Wange. »Versprich
mir, daß du daran denkst. Wenn die Dunkelheit droht, dann denke ans Licht,
Jason. Das Licht ist Liebe. Wirst du daran denken?«
Er
schluckte trotz des Würgens in seiner Kehle. »Ich werde daran denken«, sagte er
heiser.
Da küßte
sie ihn, und es war ein Kuß der Liebe und Zärtlichkeit, ein Kuß der Verheißung
und Entschlossenheit. Jason erwiderte ihn aus ganzem Herzen mit Liebe, Dankbarkeit
und Hoffnung. Eine Frau wie sie gab es kein zweites Mal. Und wenn er am Leben
blieb, würde er sie nie mehr gehen lassen.
27
Christian Sutherland konnte keinen Schlaf
finden, bis zwei Uhr morgens nicht. Nicht, seitdem er erfahren hatte, daß Lord
Hawkins gar nicht Lord Hawkins war, sondern der ältere Bruder des Duke of
Carlyle, dem eigentlich der Herzogtitel gebührte, ein Mann, der wegen Mordes
an seinem Vater zum Tod durch den Strang verurteilt worden war.
Christian
glaubte nicht an seine Schuld. Nicht, seitdem er Jason Sinclair kennengelernt
hatte. Nicht, nachdem Celia Brookhurst und Sir Wallace Stanton wie zufällig
kurz hintereinander den Tod gefunden hatten. Nicht nach allem, was Mary
erzählt hatte.
Zu viele
Zufälle, zuviel Glück für den Herzog, einen Mann, der ein gewissenloser Schurke
war, wie Christian nun deutlich erkannte.
Aber was
sollte er tun? Wie konnte er Sinclair helfen? Und was sollte er Marys wegen
unternehmen?
Am Fenster
seines Schlafzimmers stehend, von dem aus man ein Stück Hyde Park überblickte,
dachte Christian an die Frau, die er liebte. Sie hatte einen großen Fehler
begangen, als sie bei Carlyle geblieben war. Nach allem, was er ihr angetan
hatte, schuldete sie ihm keine Treue. Und nun war zu befürchten, daß Mary in
Gefahr schwebte.
Christian
wußte wie alle Welt von dem Treffen, das Litchfield mit dem Richter in den
Docks arrangiert hatte. Er hatte auch von Marys vorzeitigem Auftauchen mit
Velvet Sinclair gehört und von ihrem vergeblichen Bemühen, Velvets Mann zu
helfen. Damit hatte sich Mary gegen Carlyle gewendet. Avery mußte vor Wut
getobt haben und hatte ihr Gott weiß was angetan.
Die
Vorstellung, Mary
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