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Wie Sand in meinen Händen

Wie Sand in meinen Händen

Titel: Wie Sand in meinen Händen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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verziert.
    Honor sah zu, wie sie das Spruchband am oberen Ende von zwei hohen Treibholzästen befestigten – ein Tribut an die Strandskulpturen, die ihr Vater bevorzugte. Dann ging sie zur Tür.
    Er kam den Weg hinauf, den Kopf gesenkt. Honor sah, dass er sich unbeobachtet glaubte. Er trug Kakihosen und ein blaues Hemd, und er hatte einen Strauß Wildblumen in der Hand, die am Strand wuchsen – Sternblumen, Sonnenhut, Wicken. Seine einstmals dunklen Haare waren von Silberfäden durchzogen – ein Anblick, der ihr einen Stich versetzte. Als er den Blick hob, sah sie, wie sich sein Gesichtsausdruck änderte: von Nervosität und Unsicherheit zu Überraschung und unbändiger Freude wechselte, als er Honor, seine drei Töchter und das Spruchband an der Tür entdeckte.
    »Hallo John«, sagte sie, den Anfang machend.
    »Hallo Honor.«
    Sie standen reglos da, und einen Moment lang war Honor unschlüssig, was sie tun sollte. Die Sonne ging hinter den Hügeln der Akademie unter, ihr Widerschein verlieh Felsbank und Steinmauern den letzten Glanz. Das Geräusch der Wellen, die an den Strand brandeten, war friedvoll und von einem unveränderlichen Gleichmaß. Ihr Herz klopfte, ihr Kleid war von Ceces Tränen durchnässt. John sah ihr in die Augen, als wollte er ihr eine letzte Möglichkeit geben, einen Rückzieher zu machen.
    »Willkommen daheim, Dad«, sagte Regis.
    »Endlich bist du wieder da …«, flüsterte Agnes.
    »Ich habe auf dich gewartet«, sagte Cece, und bei diesen Worten traten Tränen in Johns Augen. Honor ging es nicht anders.
    Sie blickten sich unverwandt an. Dies war sein Zuhause gewesen – Honor sah, was es ihm bedeutete, wieder hier zu sein. Sie wagte kaum zu atmen. Es hatte Nächte gegeben, in denen sie von diesem Augenblick geträumt hatte, und andere, in denen sie fest entschlossen war, ihn nie wieder in ihr Haus und in ihr Leben zu lassen. Er umklammerte die Blumen, wartete auf ein Zeichen von ihr.
    »Jetzt bist du erst einmal da.« Sie blickte in seine Augen.
    »Ich hätte nicht gedacht –«
    Die Worte versetzten sie in Panik. Sie wusste nicht, was er sagen wollte, aber was auch immer es sein mochte, sie konnte es im Moment nicht verkraften. Mit zitternden Händen nahm sie ihm die Blumen ab. »Komm herein, John«, sagte sie und trat beiseite.
     
    Johns Haut prickelte, als er Honor den Vortritt ließ und über die Schwelle trat. Seine Sinne waren geschärft – nahmen jede Handbreit des Hauses, jedes Geräusch, jeden Geruch wahr. Honors Blick hatte ihn tief getroffen, und er musste gegen den Drang ankämpfen, sich umgehend aus dem Staub zu machen. Gleichzeitig wünschte er sich, er könnte den Augenblick festhalten, das Glück bewahren, das er in diesem Moment empfand, im Kreis seiner Familie, in seinem früheren Zuhause.
    Cece zauderte, sah ihn an, strahlte über das ganze Gesicht.
    »Ich kann noch gar nicht glauben, dass du wirklich hier bist«, sagte sie.
    »Wirklich und wahrhaftig«, versicherte er. Alle standen da und warteten, dass er weitersprach.
    »Was möchtest du trinken, John?«, fragte Honor unvermittelt.
    »Ich nehme ein Bier.«
    Sie ging hinaus, um die Blumen ins Wasser zu stellen und die Getränke zu holen, mit einer Förmlichkeit, die für ihn neu und unerwartet war. Hatte er wirklich geglaubt, sie würde es ihm leicht machen, dass er einfach zur Tür hereinspazieren könnte und sie ihn mit offenen Armen empfing? Ihm jeden Wunsch von den Augen ablas, scherzte, ihn küsste, so wie früher? Selbst die Mädchen wirkten steif und kümmerten sich darum, dass alles für das Essen bereitstand, als wäre er ein Gast. Nur Cece leistete ihm Gesellschaft und sah ihn an, als gäbe es keinen Menschen auf der Welt, mit dem sie lieber zusammen wäre.
    Sie gingen auf die Veranda hinter dem Haus, die einen ungehinderten Blick über die Felder und den Weingarten bis hinunter zum Strand bot. Zu ihrer Rechten, jenseits der Mündung des Connecticut River, blitzten die Lichtsignale des Leuchtturms von Fenwick auf. Sie nahmen an einem kleinen Tisch Platz, saßen auf Weidensesseln. Regis stellte ein Silbertablett mit Muscheln in die Mitte, und Agnes reichte ihm die Platte mit Käse und Kräckern. Ziegenkäse aus New York State, Camembert und Cheddarkäse aus Vermont – seine Lieblingssorten. Er bediente sich und sah Agnes an, die lächelnd dasaß, ätherisch wie ein verwundeter Engel, ganz in Weiß, den Kopf bandagiert.
    »Danke, Agnes«, sagte er.
    »Ich habe mich erinnert, dass du Käse

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