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Wie soll ich leben?

Wie soll ich leben?

Titel: Wie soll ich leben? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bakewell
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seine Anfänge zurückwirft und von unserem Haus nichts als das verkohlte Fundament hinterlässt.
    Rebecca West und Sigmund Freud haben beide den Krieg erlebt – genau wie Montaigne, der diese Seite des Menschen nie ausgeklammert hat. Die Passage über Mäßigung und Mittelmaß muss immer auch mit Blick auf die französischen Bürgerkriege gelesen werden, in denen religiöser Extremismus unmenschliche Grausamkeiten hervorbrachte. Der dritte dieser Kriege endete im August 1570, und die darauffolgende zweijährige Friedenszeit verbrachte Montaigne auf seinem Anwesen, wo er mit der Niederschrift der Essais begann. Doch lange bevor er damit fertig war, endete der Frieden mit einem Ereignis, das an der dunklen Seite der menschlichen Natur keinen Zweifel lassen konnte.

12
Frage: Wie soll ich leben?
Antwort: Bewahre dir deine Menschlichkeit!
Terror
    Wie die vorausgehenden Friedensschlüsse konnte auch der Frieden von Saint-Germain im Jahr 1570 die Gemüter nicht beruhigen. Den Protestanten gingen die Zugeständnisse nicht weit genug, da sie nur eine begrenzte Religionsfreiheit erhielten, den Katholiken gingen sie zu weit. Sie befürchteten, die Protestanten würden jedes Entgegenkommen als Ermunterung zur Revolte gegen den rechtmäßigen katholischen König verstehen und einen neuen Krieg anfangen. Es begann tatsächlich ein neuer Krieg, aber die Gründe waren andere.
    Die Spannungen eskalierten während der Feierlichkeiten anlässlich der Hochzeit des Protestanten Heinrich von Navarra mit der Katholikin Margarete von Valois im August 1572 in Paris. Die Führer der wichtigsten Parteien erschienen zu diesem Anlass mit finsteren Mienen in der Hauptstadt: der gemäßigte katholische König Karl IX., der radikale Protestantenführer Admiral Gaspard de Coligny und der extremistische Katholik Herzog von Guise. Sie belauerten und fürchteten einander. Fanatische Prediger heizten die Emotionen an und riefen dazu auf, die Hochzeit zu verhindern und die Ketzer aus dem Land zu jagen, solange es noch möglich sei.
    Die Hochzeit fand am 18. August 1572 statt, gefolgt von viertägigen offiziellen Feierlichkeiten. Zweifellos stießen viele einen Seufzer der Erleichterung aus, als sie vorbei waren. Doch am späten Vormittag des 22. August wurde eine Arkebuse auf den Protestantenführer Coligny abgefeuert, als er vom Louvre, dem königlichen Palast, nach Hause zurückkehrte.
    Sein linker Arm wurde zerschmettert, und er blieb am Leben, aberdie Nachricht von dem Anschlag verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Die Hugenotten schworen Rache. Viele von ihnen glaubten, der König und seine Mutter, Katharina von Medici, steckten dahinter, um eine protestantische Rebellion schon im Keim zu ersticken; diese Ansicht vertreten heute auch die meisten Historiker. Wenn dies der Fall war, so hatte sich Karl verrechnet. Das Attentat auf Coligny schürte die Wut der Protestanten – und was noch viel gefährlicher war: Die Katholiken bekamen Angst. Sie erwarteten einen Aufstand der Protestanten und mobilisierten sich zu ihrer Verteidigung. Offenbar verlor auch der König die Nerven. Ein toter Rebellenführer schien ihm weniger gefährlich als ein verwundeter. Wohl auf seinen Befehl drang eine königliche Wache in Colignys Haus ein und tötete den Verwundeten in seinem Bett. Dies geschah in der Nacht zum Sonntag, dem 24. August, dem Tag des heiligen Bartholomäus.
    Die Mörder trennten Coligny den Kopf ab und schickten ihn in den Königspalast. Dort wurde er einbalsamiert und dem Papst nach Romgesandt. Colignys Leiche wurde aus dem Fenster seines Hauses geworfen und von einem katholischen Mob angezündet. Noch tagelang schleifte man die verkohlten Überreste durch die Straßen.
    Die Bartholomäusnacht, die Nacht zum 24. August 1572, in der Gaspard de Coligny und weitere Führer der Hugenotten zusammen mit Tausenden ihrer Glaubensgenossen ermordet wurden. Gemälde von François Dubois, 1595
    Dieses Ereignis verbreitete Panik sowohl unter den Pariser Katholiken als auch unter den Protestanten. Ein katholischer Mob stürmte die Straßen, tötete Protestanten und drang in Häuser ein, deren Bewohner friedlich schliefen. Man zerrte sie aus dem Bett, schnitt ihnen die Kehle durch oder zerstückelte sie, steckte ihre Leichen in Brand oder warf sie in die Seine. Es kam zu immer grausameren Gräueltaten. Ein Mann namens Mathurin Lussault wurde getötet, als er den Fehler beging, seine Haustür zu öffnen. Sein Sohn, der nachsehen wollte, was geschah, wurde gleichfalls

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