Wie Sommerregen in der Wueste
läutete, hörten sie es beide. Craig ließ Amy nicht los, als er den Hörer abnahm. »Johnson«, meldete er sich und fuhr zärtlich mit den Lippen über Amys Schläfe. »Lefkowitz, hat dir schon einmal jemand gesagt, dass du ihm auf die Nerven gehst?« Widerstrebend löste er sich von Amy und konzentrierte sich auf das Telefongespräch. Fluchend legte er schließlich den Hörer auf.
»Welch freundlichen Ton du anschlagen kannst.«
»Takt und Diplomatie überlasse ich meinem Partner Nathan. Ich muss nach San Diego. Wie haben wir nur glauben können, dass ein Dummkopf wie Lefkowitz mit diesem Job allein klarkommt? Der Mann definiert das Wort Unfähigkeit neu.« Craig ging zum Schrank und holte eine kleine Reisetasche hervor. »Irgendein hitzköpfiger Ingenieur hat ihm gesagt, es müssen einige Veränderungen am Entwurf unseres neuesten Projektes gemacht werden, und er schafft es nicht, ihm den Kopf zu waschen.«
»Dein Entwurf?«
»Zum größten Teil. Warum kommst du nicht mit, Wilson? Du könntest alle Gründe darlegen, warum der Ingenieur recht und ich unrecht habe, und dann kann ich dir den Ozean zeigen.«
Es klang verführerisch. »Ich kann nicht einfach meine Arbeit hinwerfen.« Sie wandte sich ab und bemühte sich, nicht zu zeigen, wie nah es ihr ging. »Und wie lange bist du weg?«
»Einen Tag oder zwei – es sei denn, ich bringe Lefkowitz um und lande vor Gericht.« Er legte die Hände auf ihre Schultern und zog Amy zärtlich an sich. »Ist es gegen deine Grundregeln, mich zu vermissen?«
»Ich werde mich bemühen, es mit einzubeziehen.«
Er küsste sie und hatte dabei die Vorstellung, sich einfach mit ihr aufs Bett sinken zu lassen und alles um sich herum zu vergessen … doch dazu war sein Verantwortungsgefühl zu groß.
»Ich muss ein paar Sachen packen und dann zum Flughafen. Ich setze dich bei deinem Wagen ab.« Es ist merkwürdig, dachte er, noch nie habe ich mich mit Bedauern in ein Flugzeug gesetzt und bin unterwegs gewesen. Es schien, als hätte er in den letzten Minuten so etwas wie ein Gefühl der Verwurzelung entwickelt. »Ich schulde dir noch eine Dusche – und Zimmerservice.«
Es ist nur eine kurze Geschäftsreise, erinnerte Amy sich. Irgendwann würde die Zeit kommen, dann setzte er sich in ein Flugzeug und kehrte nicht wieder zurück. Aber nicht jetzt. »Wir rechnen ab, wenn du wieder hier bist.«
Es war fast neun Uhr abends, als Amy nach dem Essen mit ihrer Mutter nach Hause kam. Von diesen Verabredungen kehrte Amy immer mit widersprüchlichen Empfindungen zurück. Zum einen mit guter Laune, denn Jessie war gesellig, spaßig, manchmal sogar absurd und umgänglich.
Zum anderen mit Besorgnis als Reaktion auf die andere Seite von Jessies Wesen. Denn sie war ein freier Geist, eine Frau, die das Leben nahm, wie es kam, die unbeschwert von einem Mann zum anderen tanzte. Ihr neuester Partner war W. W. Barlow – oder Willie, wie ihre Mutter ihn zu nennen pflegte.
Während des Essens war Jessie voll des Lobes über ihn gewesen: wie süß er sei, wie gescheit, wie aufmerksam. Amy kannte die Zeichen: Jessie Wilson Milton Peters war bereit, sich kopfüber in ein neues Abenteuer zu stürzen.
Amy rieb sich den Nacken, warf ihre Handtasche achtlos auf einen Stuhl und schlüpfte aus den Schuhen. Wie sollte sie nur eine professionelle Einstellung ihrem Job gegenüber bewahren, wenn ihre Mutter eine Affäre mit dem Auftraggeber begann? Auflachend ging sie die Post durch, die sie mit hereingebracht hatte, und warf sie dann ebenfalls achtlos zur Seite. Und wie sollte sie eine professionelle Einstellung ihrem Job gegenüber bewahren, wenn sie selbst eine Affäre mit dem Architekten des Projekts hatte?
In kurzer Zeit war das Leben äußerst kompliziert geworden.
Falls möglich, würde sie einen Rückzieher machen. Amy war gut darin, sich selbst aus unangenehmsten Situationen zu befreien. Das Problem war nur, sie war sich fast sicher, dass sie sich in Craig verliebt hatte. Schon einmal in ihrem Leben hatte sie geglaubt zu lieben. Aber …
Kein Aber, verordnete sich Amy. Heute war sie älter und klüger und erfahrener. Niemand würde ihr antun, was Jamie Frye ihr damals angetan hatte. Nie wieder würde sie sich so erniedrigt, so benutzt fühlen. Mit Craig würde es etwas anderes sein, denn sie begegneten sich auf einer gleichwertigen Ebene, die von ganz klaren Regeln bestimmt wurde. Er war nicht so unsensibel und oberflächlich wie Jamie. Dickköpfig, das vielleicht. Er konnte einen auf die Palme
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