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Wie Tau Auf Meiner Haut

Titel: Wie Tau Auf Meiner Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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Weiße zückte ein Messer. Die
    Klinge blitzte im Regen unter dem Licht der Straßenlaternen geisterhaft auf.
    »Mach keine Zicken, Alte«, zischte er mit heiserer und bedrohlicher Stimme.
    »Her damit. « Ihm fehlten ein paar Schneidezähne, und ganz klar im Kopf schien
    er auch nicht zu sein.
    Wortlos steckte sie die Hand in die Tasche und holte die Scheine hervor.
    Eigentlich hätte sie Angst haben sollen, aber der Mensch kann Angst nur bis zu
    einem bestimmten Grad empfinden. Ist dieses Maß erst einmal überschritten,
    wird gefühlsmäßig überhaupt nichts mehr wahrgenommen. Der schwarze Kerl
    schnappte sich die Scheine, der andere kam mit dem Messer auf sie zu und hielt
    es direkt vor ihre Augen. Grace zog ihren Kopf gerade noch rechtzeitig zurück,

sonst hätte die Klinge ihre Wange aufgeschlitzt. »Mann, ich habe es doch
    gesehen, du Schlampe. Rück den Rest raus. «

    Ihren tollen Plan konnte sie abschreiben. Vermutlich hatten sie sie bereits
    beobachtet, als sie die Straße überquert hatte. Sie griff in die andere Tasche. Ihr
    gelang es, die Finger so zwischen das Bündel zu schieben, dass sie nur die Hälfte
    hervorholte. Der Schwarze grabschte sich auch diese Scheine. Dann tauchten die
    beiden wieder im Dunkel der Seitenstraße ab. Nach ihrer Plastiktüte hatten sie
    nicht einmal gefragt. Sie wollten lediglich Bargeld und nicht etwas, das ihnen
    zusätzlichen Ärger bescheren würde. Den Computer besaß sie also immerhin
    noch. Grace schloss die Augen und kämpfte dagegen an, unter der Last ihrer
    Verzweiflung zusammenzubrechen. Sie hatte keinen Mann mehr, keinen Bruder,
    aber den... verdammten... Computer, den hatte sie noch.
    Ein heiseres Schluchzen ließ sie aufhorchen. Es dauerte eine Weile, ehe sie
    merkte, dass es aus ihrer eigenen Kehle kam. Es dauerte noch weitere
    Sekunden, ehe ihr klar wurde, dass sie wieder lief, irgendwie, irgendwohin.
    Regentropfen rannen ihr über das Gesicht, jedenfalls nahm sie an, dass es der
    Regen war. Sie konnte ihre Tränen nicht fühlen, aber sie fühlte auch nicht, dass
    sie lief. Sie ging einfach immer weiter. Vielleicht weinte sie, so vergeblich das
    auch sein mochte. Regen, Tränen, wo lag schon der Unterschied?
    Immerhin besaß sie noch den Computer.
    Computer, Kristian.
    Sie musste ihn warnen. Wenn Parrish den geringsten Verdacht schöpfte, dass
    Kristian von den Dateien Kenntnis hatte, ja sogar teilweise ihren kannte, würde
    er nicht zögern, den Jungen umzubringen. Öffentliche Fernsprecher gab es
    gottlob zahlreicher als Geldautomaten. Sie fischte ein paar Münzen aus dem
    Beutel und hielt sie in ihrer klammen Hand. Dann bog sie in eine Seitenstraße
    ein, eilte einen Häuserblock entlang, bog wieder in eine Straße ab und versuchte
    so, möglichst viel Abstand zwischen sich und den beiden Gangstern zu schaffen.
    Wie verlassen die Straßen doch waren! Sie hätte nicht geglaubt, dass die Straßen
    einer Großstadt wie Minneapolis so einsam sein konnten. Ihre Fußtritte hallten
    über das Pflaster, sie atmete laut und rasselnd. Der Regen tropfte von den
    Dachrinnen und Markisen herunter, rings um sie herum bedrängten sie die
    Wolkenkratzer. Hier und da zeugte ein erleuchtetes Fenster von einem armen
    Büroangestellten, der die Nacht durcharbeitete. Dennoch war sie Lichtjahre von
    jenen entfernt, die trocken und warm in ihren Kokons aus Glas und Stahl
    hockten, während sie möglichst unauffällig durch den Regen lief. Schließlich kam
    sie keuchend vor einer Telefonzelle an. Im eigentlichen Sinne war es keine

    Telefonzelle mehr, es war einfach nur ein Apparat, der an beiden Seiten mit
    Plastikscheiben versehen war. Immerhin gab es eine Ablage, auf der sie ihre
    Tasche abstellen konnte. Sie hielt sie mit ihrem Körper fest, klemmte den Hörer
    zwischen Kinn und Schulter und ließ einen Vierteldollar in den Einwurfschlitz
    fallen. Sie hatte Kristians Nummer nicht mehr im Kopf, aber ihre Finger
    erinnerten sich. Ohne ihren Kopf zu Rate zu ziehen, bewegten sie sich sicher
    über das Tastenfeld. Gleich nach dem ersten Läuten hörte sie Kristians Stimme.
    »Hallo? « Er klang angespannt und ungewöhnlich wach für diese Tages-,
    vielmehr Nachtzeit.
    »Kris. « Sie brachte den Namen nur noch krächzend hervor. Sie räusperte sich,
    dann begann sie noch einmal von vorne. »Kris, ich bin es, Grace. «
    »Grace, mein Gott. Überall ist die Polizei. Sie behaupten... « Er hielt plötzlich
    inne und senkte die Stimme. Sein Flüstern klang beinahe wütend. »Geht es

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