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Wie Tau Auf Meiner Haut

Titel: Wie Tau Auf Meiner Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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schwächlich sie geworden war. Sie hatte ihre Müdigkeit darauf geschoben,
    dass sie jeden Tag bis tief in die Nacht die Dokumente zu entziffern versuchte.
    Früher hatte sie Essen sehr genossen, aber jetzt interessierte es sie einfach nicht
    mehr. Alles schien ihr fad, als ob ihre Geschmacksnerven von dem Schock immer
    noch betäubt wären.
    »Ich werde mehr essen«, versprach sie einsichtig. Weil es ihr jedoch so schwer
    fiel, überhaupt etwas herunterzubekommen, würde das wenige, das sie aß, sehr
    nahrhaft sein müssen. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie sich noch in diesem
    sicheren Hafen aufhalten konnte. Sie musste jeden Augenblick zur Flucht bereit
    sein, und dazu musste sie gesund und fit sein. Plötzlich fühlte sie Unsicherheit in
    sich aufsteigen. Vielleicht sollte sie nicht so lange warten, bis ihr etwas zustieß,
    sondern jetzt schon weiterziehen und woanders einen kurzzeitigen Unterschlupf
    finden. Sie hatte Julia Wynnes Geburtsurkunde erhalten, sie hatte eine
    Sozialversicherungsnummer beantragt. Wenn sie die erst einmal hatte, würde sie
    einen Führerschein beantragen können. Mit einem Führerschein konnte sie ein
    Auto fahren, ohne Angst haben zu müssen, wenn sie von der Polizei wegen einer
    Geschwindigkeitsüberschreitung oder eines defekten Scheinwerfers angehalten
    wurde. Sie konnte sich ein billiges Auto kaufen und überallhin fahren, auch
    dorthin, wohin es keinerlei Busverbindungen gab. Harmony stand auf und
    streckte sich. »Ich werde gleich heute Abend anfangen, sie zu mästen«, sagte sie
    an Matty gewandt. »Vielleicht auch ein paar kräftigende Gymnastikübungen, was
    meinst du? «

    »Erst das Essen«, erwiderte Matty. »Stopf sie mit Fleisch voll. Erst muss man
    den Ziegelstein haben, ehe man eine Wand mauern kann. Ein gutes Steak oder
    Spaghetti mit Fleischsoße wären auch gut. «
    Grace versuchte das in ihr aufsteigende Würgen bei der Vorstellung von
    Spaghetti zu unterdrücken. Seit sie in dem Restaurant arbeitete, konnte sie den
    Geruch von Knoblauch und Tomatensoße nicht mehr ertragen.
    »Ich werde mir schon etwas ausdenken«, versprach Harmony, der Graces
    angewiderter Gesichtsausdruck nicht entgangen war. Sie konnte es gut
    nachvollziehen, denn sie hatte auch einmal drei Monte lang in einem
    Fischrestaurant im Süden gearbeitet. Heute noch konnte sie den Geruch von
    einer bestimmten Sorte gebratenen Fischs nicht ertragen, aber Gott sei Dank war
    ihr der in Chicago auch niemals untergekommen. Die Erinnerung ärgerte sie,
    denn sie hatte diesen Fisch früher immer sehr gern gegessen. Diese Vorliebe war
    ihr jedoch gründlich verdorben worden. Grace und Harmony gingen gemeinsam
    die drei Blocks bis zur Bushaltestelle. Grace hatte sich angewöhnt, sich ständig
    aufmerksam umzusehen, und Harmony beobachtete zufrieden, wie sie ihre
    Umgebung beobachtete.
    »Du lernst dazu«, sagte sie. »Sag mal, was hat dich eigentlich dort oben bei
    Matty plötzlich so verstört? «
    Harmony war die aufmerksamste Beobachterin, der Grace jemals begegnet war.
    Sie versuchte erst gar nicht, sie abzulenken. »Ich habe daran gedacht zu gehen.
    «
    Harmonys Augenbrauen wanderten langsam bis zu ihrem weißblonden
    Haaransatz hinauf. »Hat es denn etwas mit meinen Bemerkungen zu tun?
    Vielleicht magst du meine Küche nicht? Oder vielleicht hat dir irgend etwas Angst
    eingejagt? «
    »Es ist nichts vorgefallen, was mich beunruhigen sollte«, versuchte sich Grace zu
    erklären. »Es ist nur... ach, ich weiß nicht so recht. Vielleicht so eine Art
    Eingebung. «
    »Dann solltest du vielleicht lieber packen,«, erwiderte Harmony ruhig. »Man
    sollte nie etwas gegen sein eigenes Gefühl tun. « Sie blickte die Straße entlang.
    »Da kommt unser Bus. «
    Grace biss sich auf die Unterlippe. Obwohl Harmony sie nicht gebeten hatte zu
    bleiben, spürte sie doch mit einem Mal deren Einsamkeit. Richtige
    Busenfreundinnen waren sie nicht geworden, dazu hatten sie beide zu viel zu

    verbergen. Aber sie waren dennoch befreundet, und Grace spürte, dass sie
    Harmonys Bodenständigkeit vermissen würde.
    »Wenn möglich, müsstest du allerdings noch ein paar Tage bleiben«, fuhr
    Harmony mit auf den Bus gerichtetem Blick fort. »Lass mich dich etwas
    aufpäppeln, damit du Kräfte sammeln kannst. Und dann musst du dir noch
    Kleidung in deiner Größe beschaffen, verdammt noch eins. Außerdem gibt es
    noch so ein, zwei Dinge, die ich dir zeigen könnte und die dir eines Tages
    nützlich werden könnten. « Das

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