Wie Tau Auf Meiner Haut
und dem Nebel, der wunderbaren Lust, jung zu sein. Das Leben als
Krieger, das ihm der Ritterorden geboten hatte, hatte ihm sehr zugesagt. Mit den
Jahren hatte er dort viel lernen können und die Bürde, den Glauben akzeptiert.
Dennoch hatte Schottland in ihm weitergelebt.
Jetzt war er wieder zu Hause. Aber obwohl er seine körperlichen Freiheiten in
vollen Zügen genoss, war er doch eigentlich mit einer noch größeren Bürde
belastet worden. Einer Bürde, die sein Leben in weitaus größerem Maße
bestimmte als vorher. Warum hatte Valcour ihn auserwählt, einen
widerspenstigen, wenngleich treuen Ritter? Hatte Valcour angenommen, er
würde gerne wieder in sein Heimatland zurückkehren und sein früheres Leben
bereitwillig wiederaufnehmen? Hatte Valcour die heimliche Erleichterung Nialls
geahnt, als er ihn von allen Gelübden mit Ausnahme eines einzigen befreite?
Aber dieses letzte war das größte und das bitterste gewesen, denn es schützte
jene, die den Orden zerstört hatten. Warum hatte man nicht Artair gewählt?
Gezwungenerweise hatte der seine Haare wieder wachsen lassen, da er sonst
seinen eigenen Tod heraufbeschworen hätte, aber abgesehen davon hielt er sich
immer noch an seine Gelübde, nämlich Enthaltsamkeit und Dienstbarkeit. Artair
zweifelte nie, niemals verfluchte er Gott für das Geschehene. Niemals hatte er
seinem Glauben abgeschworen. Falls er anfangs voller Hass gewesen war, so
hatte er über die Jahre Frieden gefunden und seinen Hass begraben. Trost fand
er im Gebet und im Kampf. Artair war ein guter Krieger und ein guter Kamerad.
Ein guter Hüter des Schatzes jedoch wäre er nicht gewesen.
Niall hatte weder der Kirche noch Gott jemals vergeben. Er hasste, er zweifelte,
und er verfluchte sich selbst und Valcour und sein geleistetes Gelübde. Am
Schluss jedoch kam er immer wieder auf dieselbe Wahrheit zurück: Er war der
Schatzhüter. Valcour hatte gut gewählt.
Um den Schatz zu beschützen, zog Niall gegen Huwe von Hay in den Krieg und
wusste, dass er damit eine Blutfehde angezettelt hatte. Er schwor sich, dass das
meiste Blut auf der Seite des Hayclans fließen sollte. Huwe wollte Krieg haben?
Nun denn, dann sollte er Krieg bekommen.
Zweiter Teil – Niall - Kapitel 12
»Fear-gleidhidh«, murmelte Grace. Sie bewegte das Wort über den Bildschirm
und versuchte, den Sinn eines Satzes zu erfassen. Fear-gleidhidh heißt >Hüter<.
Dieses Wort war ihr so oft begegnet, dass sie es beim ersten Lesen sofort
erkannte. In den letzten paar Monaten hatte sie so viel Zeit mit diesen gälischen
Dokumenten verbracht, dass sie eine ganze Reihe von Subjektiven erkannte,
obwohl sie sich in ihrer Schreibweise oft unterschieden. Vergeblich hatte sie
gehofft, mit einer zweihundert Dollar teuren Kassettensammlung Gälisch zu
lernen und so den mittelalterlichen Satzbau leichter entziffern zu können. Doch
immer noch brauchte sie für ein paar Sätze mehrere Stunden.
Aber was in aller Welt bedeutete cunhachd? Ihre Fingerspitze fuhr die Seite des
gälischen Wörterbuchs hinunter, aber das Wort konnte sie nicht finden. Könnte
es vielleicht cunbhalach sein, was »fortwährend« bedeutete, oder cunbhalachd,
das Wort für »Urteil« ? Nein, ersteres konnte nicht sein, denn wenn sie den Satz
richtig las, dann stand da: »Der Hüter war der Cunhachd. « Die Großschreibung
musste als solches nicht unbedingt etwas bedeuten, aber der Satz konnte nicht
heißen »Der Hüter war der fortwährend«.
Aber »Der Hüter hat das Urteil«? Wieder ordnete Grace die Wörter neu auf dem
Bildschirm und überprüfte zum x-ten Mal, ob sie das Verb vielleicht falsch
gelesen oder die Satzstellung nicht korrekt arrangiert hatte. Ohne Unterricht
brauchte sie mehr Zeit, um Gälisch zu lernen, als sie jemals für irgendeine
andere Sprache hatte aufwenden müssen.
Trotzdem konnte sie nach und nach kleine Fortschritte verzeichnen.
Noch einmal las sie das Dokument. Sie benutzte eine Lupe, um die verblichenen
Buchstaben lesen zu können. Nein, das Verb war ganz sicher »hat«. Das Wort
Cunhachd war das Problem. Als sie es sich näher betrachtete, bemerkte sie, dass
das »n« verschmiert war. Könnte es also auch ein »m« sein? Sie konsultierte das
Lexikon, und ein Gefühl des Triumphes durchströmte sie. Cumhachd bedeutete
»Macht«. »Der Hüter hat die Macht. «
Sie fuhr sich mit den Händen durch das Haar und ließ die langen Strähnen durch
ihre Finger gleiten. Welche Synonyme gab es
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