Wie Tyler Wilkie mein Leben auf den Kopf stellt und was ich dagegen tun werde: Roman (German Edition)
meinen Spaß.«
»Warum auch nicht?«
Sie kam auf mich zu, strich mir die Haare über die Schultern und nahm mein Gesicht in ihre Hände. Ich mochte meine Mutter, wenn sie ein bisschen betrunken war, sie konnte dann ungewöhnlich lieb sein.
»Bist du glücklich, mein Schatz?«
»Ja, Julia.«
»Manchmal siehst du so ernst aus. Bitte arbeite nicht nur, amüsier dich auch mal!«
»Aber das tue ich doch.«
»Ich rede nicht vom Lesen. Geht Steven manchmal mit dir aus?«
»Natürlich, wir gehen essen und ins Kino. Und manchmal unternehme ich etwas mit Peg und Ed.«
Beinahe hätte ich ihr von meinem interessanten neuen Freund Tyler Wilkie erzählt, aber irgendetwas hielt mich zurück.
»Verschweigst du mir etwas?«
»Nein! Wie kommst du darauf?«
»Ich kenne diesen Blick. So hast du ausgesehen, wenn es um deinen Vater ging. Hat er dir irgendwie wehgetan?«
Ich nahm ihre Hände in meine, um ihren Schraubstockgriff um meine Schultern loszuwerden. »Er tut mir nicht weh, Julia. Ich sehe ihn nur selten. Und wenn, ist er sehr nett.«
»Hm«, brummte sie.
Meine Mutter kocht am Weihnachtsabend immer Chili, und wir bleiben lange auf, um uns die Mitternachtsmesse im Vatikan anzusehen. Wir sind zwar keine Katholiken, aber Julia gefällt es so. Und da José katholisch ist, hatte sie einen Grund mehr. Nachdem wir die erste Viertelstunde überstanden hatten, entschuldigten wir uns und sagten Gute Nacht.
»Und, wie findest du José?«, fragte ich Steven.
»Ich glaube, der könnte mich mit einem Finger umhauen. Gefesselt und mit Augenbinde.«
»Wahrscheinlich.«
Steven grinste. »Ich wette, das mag deine Mutter an ihm.«
»Bäh! Hör auf.«
Steven lachte und schaltete seine Nachttischlampe ein. Dann gab er mir eine flache, quadratische, türkisfarbene Schachtel. »Fröhliche Weihnachten, Liebling.«
»Oh«, sagte ich lächelnd, »willst du mir das nicht am Weihnachtsmorgen geben?«
»Aber jetzt ist offiziell Weihnachten.«
Es war ein Armband von Tiffany. Drei Armreife, die miteinander durch einen mit einem silbernen Herzen geschmückten Verschluss verbunden waren.
»O Steven, ist das schön! Vielen Dank!«
Er lächelte, erfreut über meine Reaktion. Ich schlüpfte mit einer Hand hinein und bewunderte das Armband. Er schaltete das Licht aus, und ich kuschelte mich zu ihm unter die Decke.
Als seine Hand unter mein Nachthemd glitt, versuchte ich, mich zu entspannen und nicht mehr an meine Mutter und José zu denken, die unten saßen und dem Papst zuschauten.
Atticus
Am Silvesterabend kocht mein Vater nur für uns beide, wir verbringen ein paar Stunden miteinander, tun so, als machten wir verlorene Zeit wieder wett und gehen dann jeder unserer Wege.
Oh, und er führt mich jeden September, um meinen Geburtstag herum, zum Essen aus. Er mailt mir fast täglich und lädt mich alle paar Wochen dazu ein, etwas mit ihm zu unternehmen. Normalerweise lehne ich ab, weil es mir zu viel wird. Fast empfinde ich für ihn so etwas wie Liebe, doch dann denke ich daran, wie sehr er mich als Kind vernachlässigt hat, und mein Herz krampft sich zusammen. Ich habe festgestellt, dass ich die Zeit mit ihm sorgfältig einteilen muss. Nicht zu viel auf einmal.
Als Kind gab ich mir die größte Mühe, mir niemals anmerken zu lassen, dass ich irgendetwas an meinem Vater oder seinem Leben cool fand. Neben der üblichen Enttäuschung, die man als Teenager seinen Eltern gegenüber empfindet, kam bei mir noch eine extra schmerzliche, dornige Komponente hinzu, denn ich trug nicht nur meine eigene, sondern auch einen Teil der Wut meiner Mutter in mir. Als Teenager wechselte ich kaum ein Wort mit ihm, nicht einmal, wenn wir uns im selben Zimmer aufhielten.
Zu seiner Ehrenrettung muss man sagen, dass er nie den Versuch aufgab, an mich heranzukommen. So ist es bis heute.
Und inzwischen gehe auch ich auf ihn zu.
Mein Dad bewohnt die beiden oberen Stockwerke einer alten Kleiderfabrik in Soho, die ihm gehört. Für den Aufzug braucht man einen Schlüssel. Dann fährt man hinauf in sein unteres Stockwerk und gelangt unmittelbar in seinen gigantischen Wohnraum. Er ist mit abgenutzten Ledersofas und seinen Werken eingerichtet und hat große Fenster, die eine phantastische Aussicht auf New Jersey bieten. Einmal war ich aus dem Aufzug gekommen, als David Bowie gerade einsteigen wollte. Er besitzt einige Gemälde meines Vaters.
»Du musst Grace sein«, sagte Mr Bowie.
Ich klappte den Mund zu, öffnete ihn wieder und sagte »ja«.
»Dein Vater hat
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