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Wie Tyler Wilkie mein Leben auf den Kopf stellt und was ich dagegen tun werde: Roman (German Edition)

Wie Tyler Wilkie mein Leben auf den Kopf stellt und was ich dagegen tun werde: Roman (German Edition)

Titel: Wie Tyler Wilkie mein Leben auf den Kopf stellt und was ich dagegen tun werde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shelle Sumners
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ist wichtiger als Liebe? Und womit kann man seine Gefühle besser ausdrücken als mit Musik?« Er sah mich an, als würde er mich nach meiner Antwort benoten.
    »Nichts?«
    »Ich bin froh, dass du das verstehst. Hey, stell mich mal auf die Probe«, sagte er. »Nenne mir irgendein Stück, das du wirklich gern magst, und finde heraus, ob ich es kenne.«
    »Gut, aber ich singe es. Nur ein paar Worte.«
    »Okay. Aber mach’s mir nicht zu leicht.«
    Ich sang Ausschnitte aus Liedern von Dire Straits , Gerry Rafferty , Elton John , Pink Floyd und The Kinks , und er antwortete mit der nächsten Zeile. Jedes Mal. Er war unschlagbar. Aber mit Blue Eyes Crying in the Rain erwischte ich ihn kalt. Er musste passen.
    »Ha!«, rief ich, »mit Country Musik hast du’s wohl nicht so.«
    »Machst du Witze? Ich kenne meinen Willie!«
    »Wer nicht?«
    Aus Rache wollte er mich kitzeln, aber ich wich zurück und drückte mich gegen die Tür.
    »Pass auf«, lachte ich, »sonst verlierst du am Ende einen Finger und dabei brauchst du doch alle. PASS AUF!« Wir gerieten auf die Nebenspur. »Würdest du bitte beide Hände am Steuer lassen!«
    Wir verließen die I-80, durchquerten Stroudsburg und fuhren weiter, bis wir vom zweispurigen Highway abbogen und auf einer unbefestigten Straße tiefer und tiefer ins Hinterland vordrangen.
    Tys Elternhaus war eine viktorianische Villa, die hätte schön sein können, wenn sie nicht bonbonrosa gestrichen gewesen wäre. Lavendelfarben abgesetzt.
    »Hey, die haben das Haus gestrichen«, bemerkte Ty.
    »Welche Farbe hatte es denn vorher?«
    »Orange.«
    Ein weißer Lieferwagen und ein schweres Motorrad waren vor einem Schuppen geparkt, der alarmierend schief stand. »Geh nicht in die Garage, okay?« Ty schnallte sich ab. »Wir befürchten, dass sie jeden Moment zusammenbricht.«
    »Wie kommt ihr bloß darauf?« Ich war froh, aussteigen und mir die Beine vertreten zu können.
    Er schob die Gitarre auf den Rücken, nahm seine Segeltuchtasche in die eine und meine Reisetasche in die andere Hand und betrat den Weg zum Haus.
    Ich blieb stehen und sah mir das Motorrad an. Es war beeindruckend. Eine wuchtige, glänzend blaue, verchromte Harley mit schwarzen Ledersatteltaschen, auf denen ein Totenkopf und gekreuzte Knochen prangten.
    »Äh, Ty? Wem gehört denn das Motorrad?«
    Er kehrte zu mir zurück und raunte: »Meinem Vater. Fass es nicht an, er untersucht es auf Fingerabdrücke.«
    »Ist er ein Hell’s Angel?«, flüsterte ich.
    Lächelnd antwortete er: »Nein. Er ist in einem Harley Club.«
    Und wo war der Unterschied? Ich nahm mir vor, den Club zu googeln, wenn ich nach Hause kam.
    Ich folgte ihm, vorbei an unserer alten Freundin, der singenden Glaskugel, die auf einem grüngrau verkrusteten Sockel in einem laubbedeckten Blumenbeet stand. Kurz vor der Treppe der Veranda blieb er stehen und drehte sich zu mir um.
    »Hey, fast hätte ich es vergessen …«
    »Was denn?«
    »Das da.« Er zeigte auf meinen Verlobungsring. »Äh, den musst du wohl leider ausziehen. Wir wollen doch niemanden erschrecken, oder?«
    »Oh«, ich sah den Ring an. »Klar.« Ich zog ihn ab und verstaute ihn tief in der Hosentasche meiner Jeans.

Ländliche Kräuter
    Im Inneren des Hauses, dessen hohe Decken mit Zinnfliesen verziert waren, war es dunkel und still, und es roch seltsam, nach einer Mischung aus Hühnersuppe und irgendeinem intensiv duftenden Kraut.
    »Hallo?«, rief Ty.
    Wir durchquerten das Erdgeschoss, und ich sah, dass praktisches Denken den Einrichtungsstil beeinflusst hatte. Wundervolle alte Stücke wie ein Esstisch aus dunklem Massivholz standen Seite an Seite mit einer furnierten Vitrine aus den Siebzigern mit Beschlägen aus falschem Bambus.
    Ty pfiff laut vor sich hin, als er mich hinauf zu seinem ehemaligen Zimmer brachte. Wie immer es in seiner Kindheit ausgesehen haben mochte: Jetzt war es aufgeräumt und neutral, mit leuchtend gelben Wänden und einem Blumenquilt auf dem Doppelbett. Ein verblasster Monet-Druck hing über dem alten Schreibtisch, in den unter anderem Tyler Graham Wilkie, TGW und leck mich eingeritzt war.
    »Ich war sauer auf meinen Dad«, erklärte Ty und fuhr mit der Fingerspitze die Wörter nach.
    Er öffnete den Schrank, um meine Jacke wegzuhängen, und ich erblickte eine Fülle von Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend – Sportpokale, Stapel von Alben, Kassetten und CDs sowie einen alten Plattenspieler.
    Ein trauriges Gefühl der Leere überfiel mich. Neid. Wie wunderbar es sein

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