Wie Tyler Wilkie mein Leben auf den Kopf stellt und was ich dagegen tun werde: Roman (German Edition)
über die Antike für die Mittelstufe zu entwickeln. Normalerweise hätte ich mich darauf gestürzt. Mir Fragen über ägyptische Staatslenker während der griechisch-römischen Herrschaft auszudenken, machte mir einen Heidenspaß. Ich hätte mich in die Entwürfe für Übungen hineingekniet, zum Beispiel über die metaphorische Bedeutung der Achillesferse oder die Bedeutung von Töpfertechniken im alten Südasien.
Aber diesmal hatte ich keine Freude daran. Ich machte mir Sorgen. Denn Tyler rief nicht an.
Ich hatte es mir auf dem Sofa bequem gemacht und sah mir meinen Lieblingsfilm mit Meredith Baxter Birney auf Lifetime an, als ich Ty pfeifend die Treppe heraufkommen hörte. Ich sauste zur Tür und spähte durch den Spion.
Es war tatsächlich Ty, der gerade die Tür zu Sylvias Apartment aufschloss. Ich hörte, wie sich sein leises Murmeln mit dem Freudengewinsel der Hunde mischte. Da, jetzt kam er heraus, Bis und Blitz an der Leine. Als er an meiner Tür vorbeikam, schaute er genau in den Spion, rieb Blitz über den Kopf und sagte: »Du hast wirklich große Ohren!«
Ich zog Jeans und ein T-Shirt an und wusch mir das Gesicht.
Als er zurückkehrte, wartete ich, bis er Sylvias Wohnung verließ und öffnete die Tür.
»Hi!«, grüßte ich freundlich.
»Oh, hey.«
Seine Haare waren etwas kürzer, aber noch immer ziemlich lang und lockig.
»Wie geht’s dir?«, fragte ich.
»Gut. Und dir?«
»Auch gut. Möchtest du auf eine Tasse Kaffee reinkommen? Ich habe Bananenbrot.« Steven hatte es gebacken.
»Würde ich gerne, aber leider bin ich in einer halben Stunde verabredet.«
»Okay. Ein andermal.«
Er wollte sich verabschieden, aber ich sagte: »Es überrascht mich, dich zu sehen – ich dachte, du würdest nicht mehr mit den Hunden spazieren gehen.«
»Ach so. Sylvia hat bei der Agentur angerufen und gesagt, die Hunde hätten Sehnsucht nach mir. Ob ich vielleicht wenigstens ab und zu kommen könnte.«
Ich lachte. »Du bist wirklich ein Softie!«
»Stimmt«, gab er grinsend zu. »Außerdem zahlt sie mir das Dreifache.«
»Hey, du hast mich gar nicht angerufen«, sagte ich. »Du wolltest mich doch etwas fragen.«
»Ach so.« Er zückte sein vibrierendes Handy, sah auf das Display und steckte es wieder ein.
»Worum ging es denn?«
»Ach, nichts. Ich hatte nur so eine Idee an dem Abend, als ich dich gesehen habe. Aber dann habe ich mich dagegen entschieden.«
»Kannst du mir denn nicht sagen, was es war?«
Er schüttelte den Kopf, wegen meiner Hartnäckigkeit, seiner Dummheit, was weiß ich. »Es ging nur darum, dass der achtzigste Geburtstag meiner Oma bevorsteht und meine Eltern zu Hause eine Riesenparty für sie organisieren – am Wochenende vor Thanksgiving. Ich soll jemanden mitbringen. Und da dachte ich mir, es würde alle überraschen, wenn ich eine so kluge Frau wie dich mitbrächte. Ganz entgegen ihrer Erwartungen. Und meine Oma würde sich freuen.«
Er polierte mit der Spitze seines Converse Sneakers die Bodenfliese und lächelte verlegen.
»Tut mir leid, Grace. Ich habe nur an mich gedacht und wollte dich dazu benutzen, Eindruck zu schinden. Am nächsten Tag bin ich dann zur Vernunft gekommen. Deswegen habe ich dich nicht angerufen.«
»Ach so.«
»Entschuldige, bestimmt hast du dich die ganze Zeit gefragt, was ich von dir wollte.«
»Eigentlich nicht. Es ist mir nur … wieder eingefallen, als ich dich heute Morgen gehört habe.«
»Wie auch immer, es tut mir leid. Ich muss jetzt gehen. War schön, dich zu sehen.«
»Ja, ich hab mich auch gefreut.«
Ich war gespannt. Ich starb vor Neugier auf Tylers Heimatort und seine Familie. Ich würde wirklich zu gerne sehen, wo Tyler aufgewachsen war und seine Eltern noch mal treffen. Ich wollte sein Elternhaus sehen, ihren großen Garten, wo er als Kind gespielt hatte, und wie das Dach aussah, von dem er gefallen war. Und ich wollte herausfinden, ob dort irgendwas an der Luft oder im Wasser war, dass ihn so hatte werden lassen, wie er war. So anders als andere … so interessant.
Wahrscheinlich wusste er, dass die Leute ihre eigenen Schlüsse aus unserem gemeinsamen Auftauchen auf der Geburtstagsfeier seiner Oma ziehen würden, selbst wenn ich nur als seine platonische Freundin mitkam. Und um den Eindruck zu verstärken, könnte ich ab und zu meine Hand auf seinen Arm legen – oder so was in der Art.
Außerdem war ich noch nie in den Poconos gewesen. Und Steven musste an ebendiesem Wochenende nach München. Da könnte ich doch kurz
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