Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)
Menschen mehr verdienen, wie weniger verdienen – hat sich sehr viel weniger bewegt. Zuwächse konnten hauptsächlich die wenigen ganz oben verbuchen. Selbst wenn das absolute Einkommen einen Einfluss auf das Glück hat, spiegelt die Statistik womöglich die Gefühle der Mehrheit wider, deren absolute Einkommen stagnierten.
8. Glück und Einkommen nach Ländern
Quelle: World Values Survey 2005–2009.
Schaubild 8 zeigt die Werte für das BIP und das Glück für viele verschiedene Länder zu unterschiedlichen Zeitpunkten in den 1990er-Jahren. Die unglücklichsten Länder haben alle Durchschnittseinkommen pro Kopf von weniger als 15.000 Dollar jährlich, bei höheren Pro-Kopf-Einkommen scheint kaum noch eine Korrelation zum Glücksempfinden zu bestehen.[ 9 ] Die Daten unterstützen eine modifizierte Version von Easterlins These: Unterhalb einer bestimmten Schwelle hat das absolute Einkommenoffenbar
tatsächlich
Einfluss auf das Glücksempfinden. Das dürfte uns nicht überraschen. Es ist zu erwarten, dass ein Mangel bei Nahrung, sanitären Einrichtungen, Bildung und Wohnen deprimierend wirkt. Schaubild 8 spricht weiterhin dafür, dass die Menschen bei der Beurteilung ihres relativen materiellen Wohlstands einen nationalen Maßstab anlegen, keinen globalen. Sonst würden Länder mit mittleren Einkommen konstant unterhalb der Länder mit hohen Einkommen rangieren, und das ist nicht der Fall. In diesem Zusammenhang wird manchmal darauf verwiesen, dass ostdeutsche Arbeitnehmer sich nach der Wiedervereinigung weniger glücklich fühlten als zuvor, obwohl ihre Reallöhne stiegen. Vermutlich begannen sie, sich mit ihren neuen, sehr viel reicheren Landsleuten zu vergleichen.[ 10 ]
Was schlagen die Glücksforscher uns nun vor, um unsere schwächelnden Glückslevels wieder zu steigern? Nach ihrer Ansicht gibt es zwei Probleme: zum einen individuelle und zum anderen kollektive Irrationalität. Das erste Problem entsteht, weil die Menschen das langfristige Glück, das Konsumgüter ihnen bringen, überschätzen und die Zufriedenheit durch Muße, Bildung, Freundschaft und andere immaterielle Dinge unterschätzen. Das zweite Problem hängt damit zusammen, dass es zwar rational ist, an der Spitze der Pyramide stehen zu wollen, aber nach der Logik des Statuswettbewerbs nicht alle oben stehen können. Der Preis für den Erfolg von A ist der Misserfolg von B, und so bleibt das Glück insgesamt gleich. Oder es nimmt sogar ab, weil das Positionsgerangel unangenehm ist. Übertragen wir das auf eine andere Situation: Wenn eine Person auf einer Party sehr laut spricht, müssen auch alle anderen sehr laut sprechen, obwohl es besser für alle wäre, wenn sie nur flüsterten. Wir stecken in einem bekannten spieltheoretischen Dilemma.
Glücksforscher reagieren auf beide Probleme in vorhersehbarer Weise. Wenn bestimmte Güter keine anhaltende Vermehrung des Glücks bewirken, weder für die Besitzer noch für die Gesellschaft insgesamt, warum sollte man sie dann nicht besteuern? Das würde zum einen die Ressourcen in Güter lenken, die wie etwa Muße
tatsächlich
dasGlück steigern, und zum anderen dafür sorgen, dass öffentliche Projekte, die das Glück vermehren, mehr Ressourcen zur Verfügung hätten. So hat sich zum Beispiel der Ökonom Robert Frank für eine progressive Besteuerung des Konsums ausgesprochen, die Luxuskonsum drosseln und das Sparen fördern würde.[ 11 ] Wir schlagen in Kapitel 7 etwas Ähnliches vor, allerdings ohne Bezug auf das Glück. Oft wird in diesem Zusammenhang auch empfohlen, die Zahl der Arbeitsstunden und bestimmte Formen von Werbung zu beschränken. Allgemein können wir sagen, dass die Glücksforscher eher für den europäischen als für den amerikanischen Lebensstil plädieren, obwohl Will Wilkinson vom Cato Institute darauf hingewiesen hat, dass Amerika in den meisten Glücks-Rankings vor den großen sozialdemokratischen Ländern Europas rangiert.[ 12 ] Da es weder für die eine noch für die andere Position schlagende Beweise gibt, wird die Auseinandersetzung darüber noch eine Weile weitergehen.
W AS AN DER ÖKONOMISCHEN G LÜCKSFORSCHUNG FALSCH IST
Ökonomische Glücksforschung ist in einer Hinsicht nichts Neues. Seit Salomon und Sokrates erzählen uns gestandene Ethiker immer wieder, dass Liebe und Anständigkeit Glück bescheren, nicht Reichtümer. »Besser ein Gericht Gemüse, wo Liebe herrscht, als ein gemästeter Ochse und Hass dabei«, heißt es im biblischen Buch der Sprichwörter.
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