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Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Titel: Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Skidelsky , Edward Skidelsky
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Erklärungen könnte mit dem Satz zu Ende sein, »um meine Sammlung von Briefmarken aus der Sowjetunion zu vervollständigen«. Eine Briefmarkensammlung zu vervollständigen ist ein finales Gut – normalerweise dient es keinem anderen Zweck –, aber es ist nicht basal, denn es ist weder universell noch unverzichtbar; das werden wir weiter unten diskutieren.
     Viele Philosophen würden bei einer Sequenz von Erklärungen wohl noch einen letzten Begriff anfügen wollen, nämlich »um mich glücklich zu machen«. Wir halten das für einen Fehler. Außerhalb von psychiatrischen Kliniken und philosophischen Seminaren erklären Menschen ihr Handeln in der Regel nicht damit, dass sie sagen, »das wird mich glücklich machen«. Wie wir bereits in Kapitel 4 dargelegt haben, ist das ein gewichtiger Grund, Glück nicht als das höchste Gut zu betrachten.
     Das Kriterium der Finalität schließt viele Güter aus, die auf den ersten Blick basal erscheinen. Essen zum Beispiel steht auf vielen traditionellen Listen guter Dinge, aber wie die oben zitierte Kette von Fragen zeigt, ist es tatsächlich ein Mittel zu dem Basisgut Lebenoder Gesundheit. Darüber hinaus ist Essen nicht mehr nützlich, sondern kann sogar schaden. (Das heißt nicht, dass alle Gewürze und Geschmackszusätze, die nicht der Gesundheit dienen, nicht gut sind; es heißt nur, dass sie keine
Basis-
Güter sind. Wir wollen nicht verlangen, dass alle nur von Salat und Tofu leben.) Wichtiger für unser Thema ist, dass Geld kein Basisgut sein kann, weil es seinem Wesen nach ein Mittel ist, um andere Dinge zu bekommen. Andere gute Dinge sind noch ambivalenter. Gesundheit, Sicherheit und Freizeit sind in manchen Fällen final, nach anderen instrumentell. Wir kommen darauf später zurück.
    3. Basisgüter sind
sui generis
, das heißt, sie sind nicht Bestandteil anderer guter Dinge. Das Gut »Freiheit von Krebs« ist sicher universell und final, aber es ist nicht basal, denn es lässt sich unter das höhere Gut Gesundheit subsumieren. Ob ein Gut
sui generis
ist oder nicht, ist oft schwer zu entscheiden. Familiäre Beziehungen beispielsweise haben wir unter das Gut »Freundschaft« gefasst, aber man könnte auch der Meinung sein, dass sie eine eigene Kategorie darstellen. Doch da das, was familiäre und nichtfamiliäre Beziehungen gut macht, mehr oder weniger dasselbe ist – Liebe, Vertrauen, Stabilität –, haben wir entschieden, dass eine zweite Kategorie überflüssig wäre.
    4. Basisgüter sind für jedermann
unverzichtbar,
das heißt, sie nicht zu haben, wird als schwerer Verlust oder Nachteil angesehen. Der Begriff »jedermann« ist wichtig. Dass die eine Briefmarke fehlt, mit der die Sammlung komplett wäre, mag dem Briefmarkenliebhaber Kummer bereiten, aber deshalb ist sie noch kein Basisgut. Der Betroffene muss den fraglichen Verlust oder Nachteil auch gar nicht als solchen wahrnehmen. Nachteile erscheinen so oft als selbstverständlich, dass man sie gar nicht mehr registriert, aber trotzdem bleiben es Nachteile.
     Ein anderer Weg, die Unersetzlichkeit Basisgüter zu unterstreichen, besteht darin, dass wir sie uns als Bedürfnisse vorstellen. Der Begriff »Bedürfnis« erfasst besser als »Gut« den Gedanken, dass solcheDinge das
sine qua non
einer anständigen Existenz sind und Priorität bei jeder Verteilung knapper Ressourcen haben müssen. Zunächst haben wir erwogen, besser von »Basisbedürfnissen« zu sprechen als von »Basisgütern«, aber schließlich blieben wir aus rein stilistischen Gründen bei »Gütern«, weil »Bedürfnis« einen unangenehm puritanischen Beiklang hat. »Das brauchst du nicht« hat oft die Implikation »und deshalb sollst du es nicht haben.« (»Oh! nicht vernünfteln, was es braucht!«, sagt König Lear, als seine schrecklichen Töchter ihm ein solches Argument vorhalten.) Wenn wir von Basisgütern sprechen, wird hingegen klar, dass ganz und gar nichts Schamvolles dabei ist, solche guten Dinge über die elementaren hinaus zu verfolgen – vorausgesetzt, es geht nicht zu Lasten der elementaren Dinge.
     Das Kriterium der Unverzichtbarkeit unterscheidet unsere Liste Basisgüter von anderen, ähnlichen Listen. Der Rechtsphilosoph John Finnis beispielsweise definiert Basisgüter oder Werte als »die Grundziele der menschlichen Existenz«, aber nicht als Dinge, deren Abwesenheit für ein Individuum einen schweren Nachteil oder Verlust bedeutet. Dadurch kann er »Religion« (sehr breit gefasst als

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