Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)
sind, gehe ich in Zeitlupe weiter. Solange sie in meinem Tempo laufen, sage ich nichts, sobald ein Hund zu schnell wird, bremse ich ihn mit einem leisen Warnlaut: »Schhhhhh«, oder trete, mich dynamisch zu ihm eindrehend, kurz in seinen Weg, um ihn zu stoppen.
Nach kurzer Zeit haben alle verstanden, worum es geht, denn das Prinzip entspricht ihrer eigenen Vorgehensweise: Warnlaute und -handlungen, wenn etwas nicht in Ordnung ist, harmonisches stilles Miteinander, wenn alles stimmt.
Wir schleichen also im Zeitlupentempo gemeinsam durch das Unterholz, über Zweige, Äste und kleine Baumstämme, und die Hunde beginnen nun, ihre Köpfe suchend umherzuwenden. Ganz offenbar sind sie zu der Ansicht gelangt, dass ich ein Tier verfolge, an das wir uns nun gemeinsam heranpirschen. Ihre Nasen zucken und versuchen, einen Geruch einzufangen, ihre Augen wandern suchend umher, und ihre Ohren bewegen sich in alle Richtungen. Friedas Blicke gehen sogar hinauf in die Bäume, da sie am Boden nichts ausmachen kann.
Mir wird klar, dass ich mir am Ende einen Kompetenzverlust einhandele, wenn ich mich an Dinge anpirsche, die gar nicht da sind, und die gesamte Gruppe auch noch zu diesem »Happening« einlade. Während ich weiterschleiche, rattert es in meinem Kopf. Ich könnte kurz vorangehen und Futter platzieren, welches wir dann gemeinsam finden. Aber natürlich wäre das nicht minder seltsam, denn wozu sich an Nahrung anpirschen, die herumliegt und auch nicht vorhatte wegzulaufen?
Eine Notlösung muss her. Ich ziehe eine Schnur aus der Kapuze meiner Jacke, stoppe die Hunde und gehe allein weiter. Hinter einem starken, alten Eichenbaum wickele ich das eine Ende der Schnur um etwas Laub und lege das andere Ende um den Baum herum. Ich schleiche zu den Hunden zurück und bedeute ihnen, mir zu folgen. Eine hohe Spannung ist zu spüren. Sie sind jetzt so konzentriert, dass ich fast selbst der Illusion erliege, wir würden jagen.
Kurz vor dem bewussten Baum bleibe ich stehen und blicke starr geradeaus. Alle Hunde folgen meiner Blickrichtung.
»Los. Wo ist es?«, rufe ich ermunternd, und Frieda schießt mit Mitja nach vorn, während Tinka die Sicherheit meiner Beine vorzieht. Ich gehe schnell in die Hocke und ziehe mit kleinen Bewegungen an der Schnur. Laub raschelt im Laub. Frieda springt sofort darauf zu, um das Tier zu finden, das diese Bewegung ihrer Meinung nach verursacht. Ich ziehe das Truggebilde schnell zu mir um den Baum zurück, lasse es fallen und schaue suchend nach oben, als würde ich einem Tier nachsehen, das davonfliegt. Tatsächlich folgen die Hunde diesem Blick, als sie wieder auf meiner Seite des Baumes sind, und heben die Nasen nach oben. Als kein Geruch wahrzunehmen ist, gehen sie zu der Stelle am Baum zurück, an der das Laub raschelte, und schnüffeln dort. Fast unisono heben sie die Köpfe und sehen mich ratlos an. Ihr Blick könnte sagen: »Du, in unserem Wald gibt es seit Neuestem geruchlose Tiere, die man nie mehr finden kann. Können wir bitte in ein anderes Gebiet ziehen?«
Das kommt dabei heraus, wenn man als Mensch Hundenatur imitieren will, denke ich und muss über mich selbst lachen.
Um die krankengymnastische Schleichübung mit Mitja besser zu gestalten, überlege ich mir deshalb am nächsten Tag ein kleines Jagdspiel, das keinen Anspruch auf Echtheit erhebt. Ich präpariere ein Hasenfell mit dem chemisch hergestellten Duft eines Hasen (erhältlich im Jagdbedarf), befestige es am Ende einer Flexileine (eine Leine, die sich mit schnellem Zug in ein Plastikgehäuse aufrollt, wenn man den Feststell-Knopf losdrückt) und gehe mit den Hunden in den Wald.
An einer Stelle im Unterholz, an der anfangs viele Äste auf dem Boden liegen, dann jedoch eine kleine bemooste Freifläche folgt, stoppe ich die Hunde. Ich gehe allein ins Unterholz, und beginne, sobald ich aus dem Sichtfeld der Hunde verschwunden bin, das Hasenfell mit der Leine über den Boden zu ziehen, um eine Spur zu legen. Nach ungefähr fünfzehn Metern postiere ich das Fell gut getarnt durch Laub und kleine Äste, ziehe beim Zurücklaufen die Leine aus dem Plastikgehäuse heraus und stelle sie fest, nachdem sie komplett abgerollt ist. Das Gehäuse hänge ich in meiner Höhe an einen Baum, damit ich es im Vorbeilaufen greifen kann.
Zurück bei den Hunden, führe ich sie an den Anfang der Spur und fordere ein sehr langsames Tempo, während sie mit der Nase der Spur folgen. Das hat nicht nur den erwünschten Effekt, dass Mitja die Knie anhebt,
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