Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)
zeigt, dass ihm nicht unwichtig ist, ob seine Leistung im Kampf gegen das Plüschtier wahrgenommen wird oder nicht.
»Wie würden Sie ihm denn zum Beispiel jetzt gerade deutlich machen, dass Sie nicht wollen, dass er das Spielzeug zerstört?«, frage ich.
»Maxwell! Das darfst du nicht kaputt machen. Das ist bähbäh«, ruft der Mann nun in viel höherer Stimmlage. Ungläubig und überrascht blicke ich ihn an, denn es entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn ein riesiger, massiger Mann plötzlich in Kindersprache spricht. Der so angesprochene Maxwell fühlt sich durch diesen vermeintlichen Zuspruch offenbar angespornt und lässt mit einem heftigen Schütteln des Spielzeuges die Plüschfetzen fliegen.
»Bring dem Papa das mal her. Jetzt wird gehorcht!« Der Riese streckt dem Springinsfeld die Hand entgegen, offenbar in der Erwartung, dieser würde nun das Spielzeug apportieren. Dem jungen Hund scheint zu dämmern, dass das Spielzeug noch toller ist, als er bisher annahm, weil sein Mensch es nun auch haben will, und rennt in übermütigen Sprüngen damit durch das Zimmer. Der Mann versucht, ihm zu folgen. Der Springinsfeld springt auf die Sitzflächen zweier Stühle, die an einem Tisch stehen, klettert dann auf den Tisch, hechtet wagemutig hinunter auf einen Sessel und versteckt sich zwischen dessen Beinen. Er scheint diesen Parcours bereits bestens zu kennen, denn er meistert ihn mit großer Geschicklichkeit. Damit es spannend bleibt, wartet er nun, bis der Mann ihn fast erreicht hat, und jagt erst dann wieder davon.
Als er ein braunes Ledersofa überquert, entdecke ich den braunen Bullmastiff, der dort, farblich gut getarnt, schon die ganze Zeit über gelegen zu haben scheint. Obwohl der junge Hund über ihn hinwegstürmt, öffnet er nicht einmal die Augen. Maxwell verschwindet aus unserem Blickfeld hinter das Sofa. »Sehen Sie, er hört kein Stück«, sagt der Mann und setzt sich seufzend auf einen Stuhl an einen Tisch. Dann bittet er auch mich, dort Platz zu nehmen.
»Wissen Sie, er ist seit der zehnten Woche bei mir. Ich habe ihn jetzt vier Monate und wollte eigentlich keinen Trainer mehr an einen meiner Hunde lassen. Aber er hat ein ganz anderes Temperament als Berthold«, hier deutet er auf den Bullmastiff, »und Sie wurden mir von einem Kollegen empfohlen, deswegen …« Er lässt das Ende des Satzes offen.
»Haben Sie denn schon schlechte Erfahrungen mit einem Hundetraining gemacht?«, erkundige ich mich, obwohl das nicht zu meinen Lieblingsthemen gehört. Mir erscheint es jedoch wichtig, auf einen solchen Hinweis einzugehen, wenn ich zu einem Vertrauensverhältnis finden will.
»Schlecht!?«, das Wort bricht aus ihm heraus wie ein Donnerschlag. »›Sauschlecht‹ ist das richtige Wort! Sicher können Sie sich vorstellen, dass selbst ein großer Mensch wie ich Probleme hat, wenn ein Kerl wie Berthold stark an der Leine zieht.« Er hält sich, um das Ganze zu illustrieren, mit schmerzverzerrtem Gesicht die rechte Schulter. »Als der Hund jung war, fuhr ich mit ihm zu einem weit entfernten Hundespezialisten. Seine Frau versprach am Telefon, dass sich das Thema nach fünf Minuten erledigt hätte, wenn ich in eines der Seminare käme. Das fand dann auf einem Feld statt. Gleich zu Beginn der Veranstaltung tauchte dann plötzlich ein Reh ohne Seminaranmeldung auf. Mein Berthold ging in die Leine und wollte hinterher. Ich konnte ihn kaum halten. Der Hundespezialist kam zu Hilfe und machte das, was er bis heute praktiziert: Er demonstrierte seinen Leinenruck. Das ist nicht so ein Zerren am Geschirr oder Halsband, wie Sie es vielleicht von Passanten kennen, die ihren Hund nicht im Griff haben. Er riss die Leine mit einer Massivität nach hinten, die an Brutalität kaum zu überbieten war. Noch ehe ich sie ihm wegnehmen konnte, knackte es – und bei diesem Hund, mit dieser Statur«, er breitet die Arme aus, um das Ausmaß des Hundekörpers anzudeuten, »war das Brustbein angebrochen.« Er lässt die Faust auf den Tisch knallen, um seiner Empörung mehr Ausdruck zu verleihen. »Stellen Sie sich vor, Berthold hätte nicht mehr sein Geschirr, sondern schon, wie im Training vorgesehen, ein Halsband umgehabt …«
Ungläubig schüttele ich mit dem Kopf. Und obwohl ich sonst vor Kunden über die Arbeit anderer Hundetrainer schweige, frage ich nach: »Im Ernst?«
»Ja klar. Glauben Sie, ich hätte Lust, mir so etwas auszudenken? Da käme man ja gar nicht drauf«, entrüstet er sich.
»Und was ist dann passiert?«,
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