Wie weit du auch gehst ... (German Edition)
lehnte sie die Tür an und ging ins Arbeitszimmer. Zögernd streifte sie den Ring ab und trat an den Laptop. Sie klappte ihn vorsichtig auf und schmunzelte, als statt des bekannten Wasserfalls das Bild einer Biene im Flug erschien. Eine Anspielung auf ihren Spitznamen … und auf ihre bevorstehende Reise. Constanze spürte, wie ihr leichter ums Herz wurde. Offenbar ging Silas fest davon aus, alles würde gut gehen. Und genauso sicher hatte er wohl damit gerechnet, dass sie den Ring ausprobieren würde.
Constanze nahm einen tiefen Atemzug, dann befestigte sie das Kabel am Ring und tippte sorgfältig die drei Passwörter ein. Sie brauchte gut und gern doppelt so lang wie Silas, aber das war ihr egal. Atemlos wartete sie, was geschah. Erst wurde der Bildschirm schwarz, dann erschien eine einzige Textzeile.
Wo habe ich dich das erste Man richtig geküsst?
Constanze schüttelte lächelnd den Kopf. Wie immer ging der Magier auf Nummer sicher. Sie schrieb Küche und drückte die Entertaste. Im nächsten Moment zeigte sich die Datenoberfläche, die Silas ihr beschrieben hatte.
In den nächsten Stunden las sie aufmerksam alles, was er notiert hatte. Als Letztes klickte sie auf den Ordner Bankkonto .
»Das ist doch nicht möglich.« Sie keuchte, als sie sah, welchen Betrag Silas ihr für die Zeit seiner Abwesenheit zur Verfügung stellte. Das Guthaben belief sich auf acht Millionen Euro. Sie strich sich mit beiden Händen über die Stirn. Die Summe war geradezu absurd hoch und genau das machte Constanze stutzig. Das Geld war garantiert nicht allein für die nächsten Wochen gedacht. Silas hatte auf diese Weise sichergestellt, dass sie wirklich ein neues Leben beginnen konnte – notfalls auch ohne ihn. Der Gedanke ließ ihr geradewegs wieder übel werden. Hastig beendete sie die Programme und fuhr den Laptop herunter. Darüber wollte sie sich jetzt lieber nicht den Kopf zerbrechen, sonst würde sie endgültig vor Sorgen durchdrehen. Vielleicht sollte sie besser zu ihrem Roman von Viktor Hugo zurückkehren.
Silas verschwand mit einer geschmeidigen Bewegung hinter einer der Steinsäulen einer Hotellobby in Frankfurt. An den kalten Marmor gelehnt wartete er, nach außen in das Studium seines Timers vertieft, bis Latour vorbeigegangen war. Der Killer blickte nicht einmal in seine Richtung. Eine grobe Nachlässigkeit. Silas verzog einen bärtigen Mundwinkel. So viel zur Wachsamkeit seines Gegners. Er ging jede Wette ein, dass der Franzose neu im Geschäft war. Das erklärte auch, weshalb sein Aufenthaltsort so leicht zu ermitteln gewesen war oder warum keine der einschlägigen Quellen etwas von ihm gehört hatte. Schade für Latour, dachte Silas, denn nachdem er sich mit dem Magier angelegt hatte, würde sich daran wohl auch nichts mehr ändern.
Silas klappte den Timer zu und machte sich auf den Weg zum Aufzug. Latour hatte einen Fehler gemacht, als er den Auftrag angenommen hatte. Kein anderer Killer hatte Interesse an einem Kräftemessen mit dem Magier gezeigt. Das allein hätte Latour misstrauisch machen müssen.
Wie erwartet beachtete ihn niemand, als er in seiner Rolle als Geschäftsmann mit Aktenkoffer in den Aufzug stieg. Ohne Zwischenfälle stand Silas kurz darauf vor Latours Zimmer. Nach einem kurzen Blick den Gang entlang zückte er die Keycard, die er dem Zimmermädchen entwendet hatte, und zog sie durch das Türschloss. Die Tür sprang mit leisem Klicken auf.
Zehn Minuten später verließ er genauso unbemerkt das Hotel. Er streifte die hauchdünnen Handschuhe ab und steckte sie in seine Hosentasche. Ohne Eile kehrte er in sein Hotelzimmer zurück. Was er in Latours Zimmer gefunden hatte, hatte ihn nicht wirklich überrascht. Leider. Neben einem gefälschten Ausweis, den der Franzose für das Hotel jedoch nicht benutzt hatte, war er auf genau das gestoßen, was er befürchtet hatte. Fotos von Constanze und sich vor dem BMW. Seinem BMW. Die beiden Wagen mussten verschwinden. Selbst ein Laie würde von nun an ein solches Auto mit ihm in Verbindung bringen.
Es war das erste Mal, dass jemand Bilder vom wahren Magier geschossen hatte. Silas wusste nur nicht, ob dem Fotografen das auch klar gewesen war. Möglicherweise hatte er keine Ahnung, wen er neben Constanze abgelichtet hatte. Silas lockerte die Schultern und warf den Geschäftskoffer aufs Bett. Aber das spielte keine Rolle mehr. Ob Michael von Richtstetten sein Gesicht kannte oder nicht, er würde kein Risiko eingehen, indem er darauf
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