Wie weit du auch gehst ... (German Edition)
spekulierte, dass Latour noch keine Daten an seinen Auftraggeber übermittelt hatte.
Silas brauchte nur wenige Stunden, um herauszufinden, in welcher Diskothek der Franzose vorzugsweise seine Abende verbrachte. Anscheinend war Latour zu der Überzeugung gelangt, mit dem nächsten Angriff auf Constanze zu warten, bis etwas Gras über die Pleite seiner Verfolgungsjagd gewachsen war. Vielleicht versuchte er auch, erst mehr Geld für den Auftrag herauszuhandeln. Kein abwegiger Gedanke, nachdem er offensichtlich begriffen hatte, dass er es mit einem harten Gegner zu tun hatte. Silas interessierte im Grunde nicht, woher die Untätigkeit des Franzosen rührte. Er jedenfalls würde nicht länger warten.
Es war Zeit, reinen Tisch zu machen.
Er betrat das opulente Bad seines Hotelzimmers. Er hatte sich absichtlich im Grand Hotel Schmiederhoff eingenistet, der Adresse in Frankfurt schlechthin. Das mit Abstand exklusivste und teuerste Hotel vor Ort. Eigentlich viel zu auffällig, um darin unterzutauchen.
Silas legte sein Rasierzeug auf das Marmorwaschbecken. Nicht einmal der gewitzteste Gegner würde auf die Idee kommen, hier nach ihm zu suchen. Sozusagen mitten im Rampenlicht, zwischen der Crème de la Crème. Außerdem hatte die Sache einen angenehmen Nebeneffekt. Von der edlen Unterbringung einmal abgesehen, befand sich sein BMW-Coupé auf dem Parkplatz vor dem Hotel in guter Gesellschaft. Zwischen den anderen Nobelkarossen würde kein Mensch einen zweiten Blick auf den schwarzen Wagen werfen. So weit, so gut. Jetzt musste er nur noch dafür sorgen, dass Latour auch an ihn keinen zweiten Blick verschwendete. Nachdenklich betrachtete er seine graue Perücke. So konnte er jedenfalls nicht in die Diskothek gehen.
Grinsend zupfte er sich das Haarteil vom Kopf. Für heute Abend war wohl eher das Gegenteil angesagt. Er wusch sich die helle Farbe aus dem Bart, dann griff er nach dem Rasierschaum.
Schon nach fünfzehn Minuten blickte ihm ein anderer Mann im Spiegel entgegen. Mit nach hinten gegelten Haaren, braunen Kontaktlinsen und ausrasiertem Bart sah er beinahe wie ein Latino aus. Das musste fürs Erste als Tarnung reichen.
Er wählte ein hautenges weißes Ripp-Shirt und schlüpfte in eine tief sitzende Jeans, die gerade noch von einem breiten Ledergürtel auf seinen Hüften gehalten wurde. Er schnitt eine Grimasse. Der Hosenbund war weniger als zwei Fingerbreit vom Exhibitionismus entfernt. Wenn Constanze ihn so sehen könnte … Sie hätte ihn glatt als Gigolo abgestempelt. Womit sie gar nicht so unrecht gehabt hätte. So etwas in der Art hatte Silas auch vor. Nachdem er wusste, wie sorglos der Franzose Frauenbekanntschaften knüpfte, war das der beste Weg, an ihn heranzukommen. Über die Frau an seiner Seite. Frauen gingen selten ohne Freundin in eine Disco. Und genau die wollte er sich angeln.
Die Brünette, mit der Latour an diesem Abend angebändelt hatte, hatte tatsächlich eine weibliche Begleitung bei sich. Silas folgte der kleinen Rothaarigen unauffällig in Richtung Toilette. Er konnte nur hoffen, dass die junge Dame keine Abneigung gegen Südländer hegte, sonst ging seine Inszenierung den Bach runter, noch ehe sie angefangen hatte.
Relaxed an einen Betonpfeiler gelehnt wartete er, bis sie aus den Waschräumen kam – strategisch genauso platziert, dass sie auf ihrem Rückweg an ihm vorbeigehen musste.
Als sie wenig später in sein Sichtfeld trat, starrte er sie unverblümt an, was zu neunundneunzig Prozent die Aufmerksamkeit jeder Frau erregte. Die Lippen leicht gekräuselt, die Hände gelangweilt in den Hosentaschen, nahm er sie aus schmalen Augen ins Visier. Er ließ seinen Blick so dreist über ihre Figur streifen, dass es schon an Unverschämtheit grenzte. Zuerst furchte die Rothaarige die Stirn, dann prüfte sie, ob ihr knapper blauer Mini auch wirklich korrekt an seinem Platz saß, schließlich blieb sie stehen. In einer typisch weiblichen Geste straffte sie die Schultern und klemmte sich die Handtasche unter den Arm. Silas befürchtete schon, gescheitert zu sein, da warf sie das Haar zurück und kam auf ihn zu.
»Hat dir noch niemand gesagt, dass es unhöflich ist, Leute so anzuglotzen?«
Silas regte keine Miene. »Stört dich das etwa?«
Sie musterte ihn nun ihrerseits von oben bis unten. »Nicht, wenn der Spanner so aussieht wie du«, stellte sie fest. Ihre Stimme klang rauchig. Ob von der Zigarette, die sie in der Hand hielt oder einer ordentlichen Portion Alkohol, konnte Silas nicht
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