Wie weit du auch gehst ... (German Edition)
gehen würde. Sie konnte sich nicht bis zum Ende aller Tage in Silas’ Haus verstecken. Jede weitere Minute, die sie in Köln blieb, erhöhte das Risiko, umgebracht zu werden. Dann wäre Silas’ Tod völlig umsonst gewesen. Der Gedanke war furchtbar. Sie durfte nicht aufgeben. Ihm zuliebe würde sie das Ganze durchstehen. Sie berührte seinen Ring. Er hatte ihr damit alle Türen für eine Flucht geöffnet. Egal was sie benötigte, sie würde es bekommen, denn dieser Ring enthielt den Schlüssel zum Reich des Magiers.
»Ich habe eine neue Identität«, sagte sie langsam und hob den Kopf. »Silas hat sie mir beschafft.«
»Du hast Glück gehabt, dass du ihn getroffen hast. Er war das Beste, was dir passieren konnte. Egal, wer oder was er war.«
Constanze spürte, wie sie trotz des unendlichen Schmerzes neue Kraft schöpfte. Sie hatte vielleicht nur wenig Zeit mit Silas verbracht, aber es war die bedeutendste ihres Lebens gewesen. Sie straffte die Schultern und blickte Susanne an. »Morgen werde ich einen Makler mit dem Verkauf der Buchhandlung beauftragen. Und dann muss ich überlegen, wo wir am besten untertauchen. Wir können nicht auf Dauer in eurem Ferienhaus bleiben.«
Susanne stellte nachdenklich das Geschirr in den Schrank. »Aber ihr könntet in München bleiben«, überlegte sie laut. »Wir haben vor ein paar Tagen erfahren, dass ein ehemaliger Schulfreund von Frank die Wohnung seiner Mutter in der Innenstadt von München verkaufen will. Und mit dem Geld, das Silas dir hinterlassen hat …« Sie blickte Constanze an und begann in der Küche auf und ab zu wandern. »Außerdem wäre dort genug Platz für euch beide. Ihr hättet Strom, ein Telefon. Eigentlich alles, was man zum Leben braucht.«
»Würde es nicht auffallen, wenn wir dort plötzlich auftauchen?«
Susanne blieb stehen. »Wir müssen Franks Schulfreund ja nicht sagen, dass du uns kennst.«
Frank betrat mit dem Brotkorb die Küche. »Susanne hat recht. Das ist keine schlechte Lösung. Darauf kommt Michael nie. Es gibt keinerlei Verbindung zwischen der Wohnung und dir. Du müsstest nicht herumsuchen. Es gäbe nichts vorzubereiten. Du könntest quasi mit dem Inhalt eines Reisekoffers umziehen. Du brauchst kein Geschirr, keine Möbel, absolut nichts.«
»Es ist genial. Niemand würde wissen, wohin du gegangen bist. Und Frank könnte sicher dafür sorgen, dass du gleich morgen oder übermorgen einziehen kannst, egal wie lange die Formalitäten für den Kauf dauern.«
Constanze sah von einem zum anderen, mehr und mehr überzeugt von der Idee der beiden. »Das könnte funktionieren.«
18.
Neustart
» S o, das wär’s dann fürs Erste.« Der beleibte Mann gab Constanze die Schlüssel. »Ich wünsche Ihnen alles Gute in Ihrer neuen Wohnung.«
»Danke.« Sie stellte die Tasche mit Silas’ Laptop ab und nahm den Schlüsselbund entgegen.
»Wenn Sie noch Fragen haben oder etwas brauchen, können Sie mich gern anrufen.« Er zwinkerte ihr zu. »Das muss ja eine enorme Umstellung für Sie sein. Aus einem kleinen Ort direkt in die Innenstadt von München zu ziehen. Wie sagten Sie noch, hieß er? Oberweiler?«
»Ottersweier«, korrigierte Constanze. »Ja, Sie haben recht. Es wird sicher einige Tage dauern, bis ich mich an den Trubel hier gewöhnt habe.« Sie begleitete den Mann zur Tür.
Kaum waren sie allein, blickte sie zu Eliah. »Und, wollen wir mal deine Sachen in dein Zimmer bringen?«
Er nickte lustlos. Constanze wurde das Herz schwer. Seit Silas’ Unfall waren drei Tage vergangen. Eigentlich hatte sie nicht damit gerechnet, so rasch in eine neue Wohnung umziehen zu können, geschweige denn in diese. Aber dann hatte Franks Schulfreund ihr spontan den Zuschlag erteilt und nun waren sie hier.
Schon morgen würde sie Eliah in seinen neuen Kindergarten bringen und übermorgen zu einem Bewerbungsgespräch gehen. Auch wenn das Geld, dass Silas ihr zur Verfügung gestellt hatte, dicke ausreichte, wollte sie eine Beschäftigung haben. Über das Internet hatte sie eine Stellenausschreibung als Verkäuferin in einer Buchhandlung gefunden und gleich zum Telefonhörer gegriffen. Sie verschwieg, dass das letzte Buchgeschäft, in dem sie gearbeitet hatte, zufällig ihr eigenes gewesen war, aber dennoch hatte sie genug Fachkenntnis an den Tag gelegt, um sich beinahe sicher zu sein, den Job zu bekommen. Trotz aller Umstände war sie froh, dass sie wieder unter Menschen kam. So war sie wenigstens zeitweise von ihrem Schmerz abgelenkt.
Sie
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