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Wie weit du auch gehst ... (German Edition)

Wie weit du auch gehst ... (German Edition)

Titel: Wie weit du auch gehst ... (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Stefanie Höll
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siebenundzwanzig Tage und fünf Stunden. Bis dahin ist der Sommer ja um.«
    Constanze schmunzelte. »Keine Sorge. Der Sommer dauert schon noch länger. Wir haben doch erst Anfang Juli, Spätzchen.«
    Ehe er etwas erwidern konnte, ruckte der Aufzug und blieb stehen – mitten zwischen dem vierten und fünften Stock.
    Erschrocken blickte Constanze auf die halbierten Leuchtziffern. Was war denn jetzt los? Sie kam nicht mehr dazu, den Satz laut auszusprechen, weil in diesem Moment das Licht ausging. Plötzlich befanden sie sich in völliger Dunkelheit, man erkannte nicht einmal die Hand vor Augen. Ihr Herzschlag stolperte.
    Sie presste Eliah an sich. »Keine Angst, das ist nur ein kleiner Stromausfall.
    »Ich habe aber Angst.«
    Constanze ging neben ihm in die Hocke und tastete nach seinem Gesicht. Warum um Himmels willen gab es denn keine Notbeleuchtung? Hoffentlich bekam Eliah nicht mit, wie aufgeregt ihr Herz klopfte. »Bestimmt geht das Licht gleich wieder an«, sagte sie betont fröhlich. Im Stillen hoffte sie, dass sie damit nicht auf dem Holzweg war. Im Grunde hatte sie keine Ahnung, wie lange solche Pannen dauern konnten.
    »Warten Sie, das haben wir gleich«, hörte sie eine Stimme rechts neben sich. Einige Wimpernschläge später flackerte ein kleiner Lichtpunkt auf.
    »Danke.« Constanze blickte auf die winzige LED-Lampe, die der Mann an seinem Schlüsselbund angeschaltet hatte. Sie streichelte ihrem Sohn über den Kopf. »Siehst du, alles nicht so schlimm.«
     
    *
     
    Silas drückte den Alarmknopf des Aufzugs. Das Gebäude war unbestreitbar genauso marode, wie er befürchtet hatte. Nicht einmal die Notbeleuchtung der Kiste funktionierte.
    »Hallo?« Er beugte sich nah an den Lautsprecher. »Hört uns jemand? Wir stecken zwischen dem vierten und fünften Stock fest. Hallo?« Die Leitung knackte bedeutungsvoll, mehr geschah jedoch nicht. »Hallo, ist da irgendwer?«, versuchte Silas es noch einmal in das stoische Schweigen hinein. Der Lautsprecher blieb ihm weiterhin eine Antwort schuldig.
    »Und was jetzt?«
    Silas leuchtete die Decke ab. »Möglicherweise ist der Strom im ganzen Gebäude ausgefallen.«
    »Haben Sie ein Handy?«
    »Das Gerät funktioniert hier drin nicht. Die Wände bestehen aus massivem Stahl, da kommt kein brauchbares Signal durch.«
    Ohne Vorwarnung sackte die Kabine einen halben Meter nach unten. Constanze schrie auf und schlang die Arme um den Jungen, der sich kreischend an ihre Beine klammerte.
    »Uns passiert nichts. Wir sind …« Der Rest des Satzes blieb ungesagt, weil der Aufzug erneut nachgab.
    Eine Schrecksekunde lang befanden sie sich in freiem Fall, dann stoppten sie genauso unvermittelt.
    »Wir fallen runter«, quietschte Eliah hysterisch. Er zitterte und seine Atemfrequenz beschleunigte sich rapide.
    Constanze drückte ihn an sich. »Das werden wir nicht. Hab keine Angst, Liebling. Alles wird gut.«
    »Der Aufzug hat Notbremsen.« Silas trat neben sie und ging in die Hocke. »Deine Mutter hat recht«, sprach er ruhig weiter. »Uns passiert nichts. Du wirst sehen, morgen lachst du über dieses Abenteuer.«
    »Meinen Sie wirklich?« Eliah musterte ihn argwöhnisch, nur geringfügig beschwichtigt von den logischen Argumenten eines Erwachsenen. Dennoch entspannte er sich ein wenig.
    »Da bin ich sogar sicher.«
     
     
     
    Der Fremde sah sie verständig an. Im schwachen Licht der kleinen Lampe glichen seine Augen flüssigem Silber, umgrenzt von dichten schwarzen Wimpern. Constanze wurde schlagartig bewusst, wie nah er inzwischen war. Wechselnde Schatten tanzten über seine Haut, als er sich kurz abwandte, um die Buchtüte zur Seite zu stellen. Selbst aus weniger als einem halben Meter Entfernung wirkten die harten Flächen seines markanten Gesichts wie aus Stein gemeißelt.
    Ein leichtes Rütteln lief durch die Stahlkonstruktion.
    »Wir stürzen ab«, meldete sich Eliah sofort wieder zu Wort. Er schluchzte erstickt.
    Wie zur Bestätigung schabte in diesem Augenblick ein metallisches Kratzen über die Decke des Aufzugs. Der Fremde und sie blickten gleichzeitig nach oben.
    »Was war das?«, fragte Constanze tonlos.
    »Ich habe keinen blassen Schimmer«, gestand er bestechend ehrlich. »Vielleicht das Wartungspersonal.«
    Eliah starrte ebenfalls zur Decke. Tränen rannen über seine Wangen. Er stand stocksteif da, schien eingefroren zu sein, trotzdem begann er, wie ein Fisch auf dem Trockenen zu japsen.
    Constanze drückte seine Hand. »Du darfst nicht so schnell atmen, Schatz.

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