Wie weit du auch gehst ... (German Edition)
die Sache von einem normalen – nicht Michael verseuchten – Standpunkt aus zu beurteilen. Das Ergebnis war klar: Daniel hatte recht. Was war schon dabei? Sie räusperte sich.
»Also gut, Essen – mehr aber nicht.« Gütiger Himmel, was sagte sie denn da? Das klang ja, als rechnete sie damit, Daniel könnte sich bei nächster Gelegenheit auf sie stürzen.
Er nahm die infame Unterstellung erstaunlich gelassen auf. »Versprochen, nur das Essen. Wir machen nichts, was du nicht auch willst.« Daniel hob wie zum Schwur die Hand, grinste aber so jungenhaft, dass sich Constanze unwillkürlich an Mr. Pepper erinnert fühlte, wenn er gerade eine Maus gefangen hatte. Sie schluckte. Wir machen nichts, was du nicht auch willst … Wie hatte er das gemeint? Plötzlich beschlich sie das dumme Gefühl, mit ihrem unbedachten Einwurf ein rotes Tuch vor seiner Nase geschwenkt zu haben.
»Samstag?«, erkundigte sich Daniel mit blitzenden Augen.
»Samstag wäre gut. Wohin gehen wir denn?«
»Lass dich überraschen, ich hol dich gegen acht ab, in Ordnung?
»Okay.« Wenn schon wagemutig, dann richtig.
»Gute Nacht.« Er steckte die Hände in die Hosentasche und schlenderte immer noch lächelnd die Treppe hinab.
»Wünsch ich dir auch.« Sie blickte ihm einen Augenblick nach, dann schloss sie bedächtig die Tür. Gleich darauf lehnte sie sich schimpfend dagegen.
O Gott, wie konnte sie nur? Aufgewühlt fasste sie sich an den Hals. Sie hatte sich leichtfertig auf ein weiteres Treffen mit ihm eingelassen. Ein echtes Date. Nur sie und er … Ihr Magen begab sich schon jetzt auf eine Kreisbahn. Sie presste die Augen zu. Herzschlag mit neunundzwanzig und dann auch noch selbst verschuldet.
Es war unklug gewesen, ihn im Flur so nah an sich heranzulassen. Aber statt aus diesem Fehler zu lernen, machte sie gleich lauter neue. Als er sie eben berührt hatte, war sie nicht einmal im Entferntesten auf die Idee gekommen, ihm auszuweichen. Wie denn auch? Noch nie hatte ein Mann sie so zärtlich liebkost. Sanft wie ein Lufthauch – aber mit Folgen, die eher an einen Taifun erinnerten. Unruhig stieß sie sich von der Tür ab. Als sie ins Wohnzimmer humpelte, wanderte ihr Blick beinahe zwanghaft zur Treppe. Wie wäre es erst gewesen, hätte er sie tatsächlich …
»Verdammt noch mal!« Constanze schlug die Hände vors Gesicht. »Hör auf damit! Hör sofort auf! Niemand küsst hier irgendwen.« Als sie begriff, dass sie die Worte laut ausgesprochen hatte, kniff sie erschrocken den Mund zu. Jetzt führte sie schon Selbstgespräche. Frustriert setzte sie sich aufs Sofa und stützte sie den Kopf aufs Knie.
Sie machte sich etwas vor. Auch wenn sie sich noch so oft einredete, die Begegnungen mit Daniel seien harmlos – sie waren es definitiv nicht. Schon jetzt, nach wenigen Tagen, beschäftigte er sie mehr als jeder andere Mann – und sicher mehr, als gut für sie war. Er brauchte sie nur anzutippen und schon begaben sich in ihrem Körper Millionen Ameisen auf Wanderschaft.
Das Telefon klingelte. Das helle Geräusch durchbrach ihre Grübelei derart abrupt, dass sie fast vom Sofa fiel. Eine Hand auf das klopfende Herz gepresst hob sie ab. »Anger.«
»Hey, Sanne hier«, meldete sich ihre Freundin. »Ich wollte – was ist los? Bist du ans Telefon gerannt?«
»Nein, warum?« Constanze betrachtete den Verband in ihrer Hand. Rennen mit einem blauen Knöchel? Wie denn?
»Du klingst so aus der Puste.« Susanne stutzte. »Ich störe doch nicht grad bei was, oder?«
»Natürlich nicht, wo denkst du hin.« Constanze schüttelte ungläubig den Kopf. Susanne hatte vielleicht Nerven. Was glaubte sie denn, was sie mit Daniel trieb? Nichts, nur sich von ihm berühren lassen … Hastig warf sie den Verband auf den gegenüberstehenden Sessel, als könnte sie dadurch das Geschehene ein für alle Mal aus ihrem Kopf tilgen.
»Schade.« Susannes Enttäuschung kroch förmlich durchs Telefon. »Ist er schon wieder weg?«
Constanze brauchte nicht zu fragen, wen sie meinte. »Ja, Daniel hat sich gerade eben verabschiedet.«
»Aha, und warum bist du dann so außer Atem?«
»Ich bin heute Morgen im Lager von der Leiter gepurzelt. Bis auf einen verstauchten Fuß ist mir nichts passiert. Der ist jetzt schick blau und tut dementsprechend weh.«
Susanne zog scharf die Luft ein. »Autsch. Das klingt übel. Warst du beim Arzt?«
»Nein. Ich glaube nicht, dass es was Ernstes ist. Der Knöchel ist zwar noch geschwollen, aber mit dem Verband, den Daniel
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