Wie weit du auch gehst ... (German Edition)
müsste die Zoobrücke eigentlich frei sein, die Strecke ist kürzer.«
»Gut.« Nach einem kurzen Blick in den Rückspiegel fuhr Daniel los.
Schon nach wenigen Metern erkannte Constanze, dass Fahrer und Wagen ein perfekt aufeinander eingespieltes Team bildeten. Aber das war nicht das Einzige, was ihr auffiel. Es war auch sein Fahrstil. Forsch, aber nicht aggressiv. Zügig, aber nicht zu schnell. Bei Michael hatte sie sich immer wie auf einer ungesicherten Rennstrecke gefühlt, ständig damit gerechnet, in der nächsten Kurve an einen Baum zu krachen. Davon konnte bei Daniel keine Rede sein. Etwas entspannter lehnte sie sich zurück und genoss die Fahrt. Was Susanne wohl gesagt hätte, wäre sie jetzt hier gewesen? Ihre Freundin schwor darauf, am Fahrstil eines Mannes seinen Charakter ablesen zu können und die Art, wie er … und noch einiges anderes. Verschämt blickte sie auf die Straße.
Ganze zehn Minuten früher als mit der S-Bahn erreichten sie den Kinokomplex. Daniel steuerte den Wagen vor den Haupteingang und ließ Constanze und Eliah aussteigen, ehe er sich auf die Suche nach einem Parkplatz machte. Constanze nahm Eliahs Hand und ging mit ihm gemächlich in die riesige Eingangshalle. Dank Daniels geschickter Fahrweise hatten sie noch ausreichend Zeit, bis der Film begann. Constanze war ihm unendlich dankbar. Schon das kurze Stück bis zum Kartenschalter machte ihrem Knöchel schwer zu schaffen. Nicht auszudenken, wie es erst gewesen wäre, hätte sie den langen Fußweg zur S-Bahn zurücklegen müssen.
Erwartungsgemäß ging fast eine Viertelstunde ins Land, bis Daniel leichtfüßig ins Gebäude gelaufen kam. Kaum außer Atem blieb er vor ihnen stehen. »Habt ihr die Karten?«
»Hier.« Eliah zückte die Pappkärtchen und winkte mit einer Tüte Popcorn.
Daniel schob seine Hände in die Hosentaschen und beugte sich vertraulich zu Constanze. »Wenn ich euch das nächste Mal suche, folge ich einfach der Popcornspur. Dabei kann gar nichts schiefgehen.«
Constanze musste lachen. »Hoffentlich kommt das Reinigungspersonal nicht auf dieselbe Idee, sonst haben wir ruckzuck Hausverbot.«
»Nicht nur wir.« Er nickte in Richtung eines kleinen Mädchens mit blonden Zöpfen, das sein Popcorn eifrig einem Parkautomaten verfütterte. Als die Mutter schimpfend angerannt kam, grinsten sich Daniel und Constanze an. Für einen winzigen Moment spürte sie den Impuls, sich einfach bei ihm unterzuhaken, so, wie sie es oft bei Susanne tat. Erschrocken ballte sie die Hände. Was war denn nur in sie gefahren?
Ohne Eile folgten sie Eliah in den Kinosaal. Als sie die richtige Sitzreihe gefunden hatten, legte Daniel seine Hand in Constanzes Rücken, um sie vorbeizulassen. Die flüchtige Berührung erzeugte ein warmes Brennen, das sich auch nicht verflüchtigte, nachdem er Constanze längst wieder losgelassen hatte. Sie machte sich Gedanken, ihn nicht zu oft zu berühren. Er offenbar nicht. Auch ohne akribisch Bilanz zu ziehen, war allmählich klar, dass sich die Gelegenheiten, bei denen er zufällig oder absichtlich mit ihr in Kontakt kam, beständig häuften.
Die Aussicht, in dem dunklen Kino stundenlang neben Daniel zu sitzen, tat ein Übriges. Seit der Begegnung im Aufzug hatte sich ihre Reaktion auf ihn nicht im Geringsten verringert. Eher entgegengesetzt. Sie wurde immer stärker. Keine ermutigende Entwicklung.
Eliah rettete sie aus ihrer Bredouille. Um neben Daniel und ihr gleichzeitig sitzen zu können, wählte er ohne zu zögern den mittleren Platz. Constanze schalt sich für die Erleichterung, die sie dabei empfand. Was hätte in einem Kino voller Menschen denn schon geschehen können? Die Antwort war eindeutig: nichts. Zumindest nichts, was von Daniel ausging. Dass sie in seiner Gegenwart auf glühenden Kohlen saß, war nun wahrlich nicht seine Schuld. Ihre Nervosität und Abneigung lag an ihrer scheußlichen Vergangenheit.
Lüge , flüsterte eine penetrante Stimme in ihrem Kopf. Was Daniels Nähe auch immer in ihr auslöste, Abneigung war es jedenfalls nicht.
Ein Paar mit drei Mädchen bahnte sich seinen Weg durch ihre Sitzreihe. Constanze setzte sich etwas schräg, bis die Familie vorbei war, dann lehnte sie sich zurück und sah ihnen zu, wie sie lachend und schwatzend ihre Plätze einnahmen. Sie hatte sich immer ein normales Leben für Eliah gewünscht. Leider konnte sie ihm den Vater nicht ersetzen. So richtig war ihr das erst nach dem Tag im Park bewusst geworden. Nein, sie konnte den männlichen Teil der
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