Wie weit du auch gehst ... (German Edition)
angelegt hat, ging’s heute Abend schon wieder recht gut.«
»Er hat deinen Fuß bandagiert? Interessant.« Die Besorgnis in Susannes Tonfall wich schlagartig gespannter Neugierde.
»Ja, das kann man so sagen. Es war ein komisches Gefühl, ihn so nah vor mir zu haben.«
»Gut oder schlecht komisch?«
»Vielleicht zu gut?«
»Wirklich? Warum denn?«
Constanze blickte zum Flur. »Ich glaube … einen Moment lang hatte ich den Eindruck …«
»Ja?«
»Ich glaube, er hätte mich fast geküsst«, platzte sie raus.
»Und weshalb hat er’s nicht getan?«
Constanze atmete tief ein. »Ich habe gekniffen.«
»Verstehe«, murmelte Susanne, nicht im Geringsten überrascht. »Weil du Angst davor hattest.«
»Ich kann das nicht.« Constanze spürte, wie ihr Tränen in die Augen schossen. Wütend blinzelte sie sie zurück. »Ich werde noch verrückt. Irgendwas in mir fragt sich ständig, wie es wohl wäre, Daniel nahezukommen. Aber wenn es darauf hinausläuft, ist da nur noch diese Panik. Ich denke immer noch …« Sie schluckte. »Ich denke immer noch an diesen Albtraum mit Michael. Manchmal fühlt es sich an, als wäre alles erst gestern gewesen und nicht schon Jahre her.«
»Glaubst du denn, Daniel würde sich genauso brutal und rücksichtslos benehmen?«, fragte Susanne einfühlsam.
»Nein, bestimmt nicht.« Constanze war verblüfft, wie überzeugt sie davon war. »Er hat mich schon berührt … das war unglaublich schön, Sanne. Gar nicht, wie ich erwartet hätte …« Sie erzählte von den letzten Minuten an der Haustür.
»Hast du schon einmal in Erwägung gezogen, es einfach auszuprobieren?«, fragte Susanne, nachdem Constanze geendet hatte. »Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst. Ich glaube nicht, dass Daniel zu der Sorte Mann gehört, die sich einer Frau aufzwingen würden. So, wie du ihn mir beschrieben hast, hat er das auch gar nicht nötig. Vielleicht ist er derjenige, mit dem du Michael ein für alle Mal überwinden kannst.« Sie überlegte kurz. »Du hast mir doch neulich erzählt, dass Roland dich auf den Ball begleiten möchte.«
»Ja«, antwortete Constanze, etwas überrumpelt von dem plötzlichen Themenwechsel. »Ich muss noch eine Lösung finden, wie ich ihm das wieder ausreden kann.«
»Daniel könnte als dein Begleiter mitgehen.«
»Was?«, Constanzes Herz hüpfte bis zur Decke. »Du meinst doch nicht … Willst du damit sagen, dass ich ihn fragen soll?«
»Genau das«, Susanne war mit jeder Minute begeisterter. »Damit würdest du Roland einen Strich durch die Rechnung machen, einen netten Abend mit Daniel verbringen und ganz nebenbei lerne ich diesen Traummann auch mal kennen. Na, was sagst du?«
Constanze holte tief Luft. Zugegeben, Susannes Einfall war einleuchtend. Daran gab es nichts zu rütteln – von der unbedeutenden Tatsache einmal abgesehen, dass sie mit Daniel quasi als Paar auftreten würde. Aufregung und Angst fochten in ihrem Inneren einen erbitterten Kampf. Einen Ballabend … tanzen … dicht aneinander … Sie schluckte.
»Bist du noch dran?«, erkundigte sich Susanne, als sich das Schweigen in die Länge zog.
»Entschuldige, ich denke noch nach.«
»Da gibt’s nichts nachzudenken, Biene. Wenn du die Wahl zwischen Daniel und Roland hättest, mit wem würdest du lieber gehen?«
»Ich könnte ja auch allein gehen.«
»Aber du vergisst, dass Roland ohnehin als Berichterstatter seiner Zeitung auf dem Ball sein wird. Und wie lange, glaubst du, würde es wohl dauern, bis er dich unter Beschlag nimmt? Zwei Minuten? Drei?«
Constanze stöhnte unterdrückt. Daran hatte sie noch nicht gedacht. »O nein.«
»O doch. Frag Daniel. Ich glaube, dann wird es ein toller Abend.«
Das vermutlich schon, stimmte Constanze ihrer Freundin gedanklich zu. Aber wie sie dabei ihren dringend nötigen inneren Abstand wahren sollte, war ihr absolut schleierhaft. »Also gut, vielleicht hast du recht«, hörte sie sich trotzdem sagen. »Ich frage ihn, falls es sich ergibt.«
»Schön. Es wird sich ergeben, und du wirst es bestimmt nicht bereuen. Klappt unser Ballkleid-Shopping-Trip am Mittwoch?«
»Aber klar. Ich freue mich, bis nächste Woche dann.«
»Ja, schlaf gut.«
Wie in Trance legte Constanze den Hörer auf. Daniel fragen? Schon bei dem Gedanken daran bekam sie feuchte Hände. Selbst wenn sie irgendwoher den Mut auftreiben konnte, hatte sie dennoch keinen blassen Schimmer, wie sie das bewerkstelligen sollte. Vielleicht auf die saloppe Art. Ach Daniel, wärst du so
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