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Wie weit du auch gehst ... (German Edition)

Wie weit du auch gehst ... (German Edition)

Titel: Wie weit du auch gehst ... (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Stefanie Höll
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Was er jedoch nicht geahnt hatte, war, dass er in Nevio nicht nur einen ausgezeichneten Lehrer, sondern auch einen Freund fürs Leben finden würde.
    Langsam stand Silas vom Bett auf. Manchmal konnte er fast nicht glauben, wie viel Glück er gehabt hatte. Nevio, Jara und er standen seit damals füreinander ein wie eine Familie. Für Nevio war Jara die Frau fürs Leben. Nachdenklich lehnte sich Silas gegen den Fensterrahmen und blickte in die sternenklare Nacht. So, wie sich die Geschichte entwickelte, könnte Constanze diese Frau für ihn sein. Er hatte geahnt, dass sie ihm nahekommen würde. Er hatte nur nicht damit gerechnet, dass es so schnell ging.

8.
    Rivalen
     
     
     
    C onstanze legte den Stapel mit Rechnungen zur Seite und erhob sich aus ihrem Bürostuhl. Noch etwas vorsichtig, aber nahezu schmerzfrei, ging sie an den kleinen Aktenschrank und öffnete ihn. Als sie sich am Morgen nach dem Kinobesuch dazu durchgerungen hatte, doch besser einen Arzt aufzusuchen, hatte der ihren Fuß zwar schnurstracks in eine dicke Schiene gesteckt, darüber hinaus aber gottlob Entwarnung gegeben. Daniel hatte mit seiner Diagnose recht gehabt. Außer einer fiesen Zerrung hatte sie sich nichts getan. Wenn sie daran dachte, dass ihr Sturz erst zwei Tage zurücklag, konnte sie eigentlich nicht klagen. Insgeheim hatte sie schon befürchtet, der Arzt würde sie mit einem strikten Bewegungsverbot aufs Sofa verbannen. Was das bedeutet hätte, war abzusehen. Noch mehr Zeit, um über Daniel nachzugrübeln.
    Sie dachte ohnehin viel zu oft an ihn. In der Buchhandlung war sie wenigstens etwas abgelenkt. Noch immer zermarterte sie sich das Gehirn, wie sie ihn nach dem Ball fragen sollte. Bisher hatte sie keine brauchbare Lösung gefunden. Und wie es aussah, würden sich daran bis zu ihrem Treffen am heutigen Abend auch nichts mehr ändern.
    Das Einzige, was sie durch das exzessive Nachdenken erreicht hatte, war eine voraussichtlich noch größere Befangenheit in Daniels Nähe. Energisch nahm sie einen dicken Ordner aus dem Schrank. Der Mann brachte sie auf dem direkten Weg in die Klapsmühle. Dabei tat er im Grunde überhaupt nichts – naja, fast nichts. Es hatte keinen Zweck, sich etwas vorzulügen. Die Art, wie er zum Abschied ihre Lippen berührt hatte, konnte man wohl kaum als Nichts bezeichnen.
    Sie knallte den Ordner auf den Tisch. Jetzt begann ihr Mund schon wieder zu kribbeln, das musste aufhören. Sie setzte sich an den Schreibtisch und klappte die Unterlagen auf. Um ihre Gedanken im Zaum zu halten, sortierte sie die Rechnungen und begann, konzentriert zu arbeiten. Während sie den dritten Stapel in Angriff nahm, streckte Beate den Kopf zur Tür herein.
    »Du hast gesagt, ich soll dich an deine Mittagspause erinnern.« Sie grinste breit, als sie Constanzes verdatterten Blick in Richtung der Uhr bemerkte. »Schien auch nötig gewesen zu sein.«
    »Danke, die hätte ich wirklich glatt vergessen.« Constanze schob die verbleibende Post zusammen und stand auf. »Ich muss dringend zum Markt.« Sie nahm ihre Handtasche aus der Schublade. »Soll ich dir was mitbringen?«
    »Nein, danke.« Beate zuckte grinsend die Schultern. »Ich bin ein Fast-Food-Junkie. Meine Tiefkühlpizza bekomme ich auch im Supermarkt.«
    »Ich frage mich, wie du dabei deine Figur hältst. Wenn ich das machen würde, könntest du mich wahrscheinlich zwischen den Regalen hin und her rollen wie eine Billardkugel.«
    Sie lachten herzlich.
    »Das liegt bei mir in der Familie, wir sehen alle aus wie Bohnenstangen.« Beate inspizierte etwas wehmütig ihren flachen Busen.
    »Jetzt übertreibst du aber.« Constanze wurde wieder ernst. »Sei froh, dass du so schlank bist.« Sie schloss die Bürotür und ging mit Beate zurück in den Verkaufsraum. »Ich war als Kind furchtbar dick, das war nicht schön, glaub mir.«
    »Du nimmst mich jetzt auf den Arm, oder?« Beate betrachtete verblüfft Constanzes Statur.
    »Nein. Ich habe mit zwölf fast doppelt so viel gewogen wie heute«, erklärte sie. Damals hatte sie gedacht, Einsamkeit ließe sich mit Essen kompensieren. Sie war in einem Waisenhaus gelandet, nachdem ihre Mutter sich auf einer Bahnhofstoilette mit dem falschen Freier eingelassen hatte. Früher hatte Constanze nicht begreifen können, wie man so schnell an einer Verletzung sterben konnte. Inzwischen war sie dahintergekommen, warum das so gewesen war. Ihre Mutter hatte sich aufgegeben – schon lange vor diesem Tag. Der Kontakt zur Familie war viele Jahre zuvor

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