Wie weit du auch gehst ... (German Edition)
jetzt tun sollte. Die Polizei anrufen schied aus. Sie wusste zwar ohne jeden Zweifel, dass Michael Silas beauftragt hatte, aber nur aufgrund ihrer Aussage würde man ihren Exmann bestimmt nicht wieder in den Knast stecken. Weglaufen war ebenfalls keine Lösung. Es machte keinerlei Sinn, die Flucht anzutreten, nachdem sie bereits dem Magier Auge in Auge gegenübergestanden hatte. Was konnte noch schlimmer sein, oder wer?
Constanze biss sich auf die Unterlippe und unterdrückte die neuen Tränen. Sie schleppte sich ins Bad und rieb mit einem feuchten Lappen so lange über ihr verquollenes Gesicht, bis das schmerzhafte Pochen in ihren Schläfen nachließ. Trotzdem fühlte sie sich so ausgelaugt und leer, dass sie sich wieder aufs Sofa legte. Erschöpft schloss sie die Augen. Sobald sie wieder etwas Kraft fand, würde sie die einzigen Menschen informieren, denen sie wahrhaft vertrauen konnte. Susanne und Frank. Bei den Gedanken an Eliah bildete sich ein schmerzhafter Kloß in ihrem Hals. Er hatte Silas auch gern gehabt. Wie sollte sie ihm erklären, was geschehen war?
Das Telefon klingelte und Constanze fuhr vor Schreck beinahe aus der Haut. Als der Anrufbeantworter ansprang, starrte sie ängstlich auf das Gerät. »Hier ist die Werkstatt Mauerbrunn. Wir wollten Ihnen mitteilen, dass wir einen günstigen Austauschmotor für ihren VW-Polo gefunden haben und ihn einbauen werden. Sie können den Wagen morgen gegen vierzehn Uhr abholen. Falls sie noch Fragen haben, können sie uns jederzeit anrufen.« Der Anrufer gab die Nummer durch und legte auf.
Constanzes Schultern sackten hinab. Wenigstens war es nicht Silas gewesen. Allein seine Stimme zu hören, hätte dazu geführt, dass sie endgültig zusammengeklappt wäre.
Sie hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Ob er noch einmal versuchen würde, mit ihr zu sprechen? Sie konnte es sich nicht vorstellen, aber genauso wenig konnte sie glauben, dass er es nicht tat.
Langsam wankte Constanze durch das Haus. Am liebsten hätte sie sich im Bett vergraben und die Decke über den Kopf gezogen, so, wie sie es als Kind immer getan hatte, wenn wieder einmal alles schiefgegangen war. Aber damit war ihr leider auch nicht geholfen. Kein bisschen. Sie musste sich wieder fangen. Erneut würde sie ihr Leben hinter sich lassen müssen und irgendwo neu anfangen. Dabei durfte sie sich schon Eliah zuliebe nicht anmerken lassen, wie verletzt und unglücklich sie war. Leider konnte sich Constanze im Moment absolut nichts Schwereres vorstellen.
*
Als die Dämmerung hereinbrach, saß Silas immer noch auf der Treppe. Bewegungslos, den Kopf auf die Unterarme gestützt, dachte er nach. Die Geschichte war denkbar ungünstig verlaufen. Nein, ungünstig war das falsche Wort. Sie war beschissen verlaufen. Schlechter hätte es nicht kommen können. Er hatte gewollt, dass Constanze irgendwann erfuhr, wer er war. Aber nicht so. Doch nicht so. Und erst recht nicht in dem Glauben, dass er ein skrupelloser Auftragskiller sei.
Er machte sich nichts vor. Alles, was sie ihm je an Vertrauen oder Gefühlen entgegengebracht hatte, war dahin, zerstört von der folgenschweren Entdeckung in seinem Keller. Dass er die Unterlagen im Grunde schon lange hatte vernichten wollen, änderte jetzt auch nichts mehr. Wie er es auch drehte und wendete, sie hatte jetzt ein festsitzendes Bild von dem, was er allem Anschein nach war.
Der Gedanke an das Auffliegen seiner Identität machte ihm weniger Sorgen. Früher wäre das der absolute Supergau gewesen, jetzt nicht mehr. Ihm war es schlichtweg egal. Es wäre nach wie vor ein Leichtes, unterzutauchen und nach Chile zu gehen, aber das würde er nicht tun. Irgendwie war er sicher, dass Constanze ihr Wissen nicht weitergeben würde. Höchstens an Susanne und Frank, die ohnehin über alles informiert waren, was mit Constanzes Vergangenheit einherging. Er vertraute ihr, sonst hätte er sich niemals so sorglos verhalten. Und das war so, weil er sie liebte. Daher stand außer Frage, dass er sie um jeden Preis zurückerobern musste.
Im Moment hatte er allerdings keine rechte Ahnung, wie er das bewerkstelligen sollte. Er konnte schlecht an ihrer Tür klingeln und sagen: »Hallo, ich bin’s wieder, der Killer. Ach übrigens, habe ich dir schon gesagt, dass du zu mir gehörst?«
Er fuhr sich übers Gesicht. Nein, so einfach würde es nicht werden. Im Augenblick wollte sie ihn weder sehen noch sprechen, das hatte sie heute Morgen deutlich demonstriert. Und eine solch
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