Wie weiter?
Anhänger der antiquierten Wachstumsphilosophie noch finde ich alle Vorschläge zum notwendigen sozialökologischen Umbau der Wirtschaft und der Gesellschaft sinnvoll und nützlich. Ich halte nichts davon, auf die kapitalistische Überproduktion mit der fortgesetzten Reduzierung des Konsums zu antworten. Wenn denen, die ohnehin schon wenig besitzen, gesagt wird, dass sie noch weniger haben sollen und der Liter Sprit fünf Euro kosten müsse, dann wollen die von Ökologie überhaupt nichts mehr hören. Zumal sie sehen, dass jene, die die hohen Spritpreise fordern, durchaus in der Lage sind, sie auch zu bezahlen. Für diese würde sich nicht viel ändern, wohl aber für sie: Sie könnten sich kein Auto mehr leisten.
Wir wollen mehr Wohlstand, mehr Lebensqualität, aber das auf ökologisch nachhaltige Weise und stets in Verbindung mit der sozialen Frage. Dieser Aspekt besitzt für mich einen zentralen Stellenwert, und darin unterscheiden wir uns wohl auch von allen anderen, die sich – der Zeitgeist lässt grüßen – den ökologischen Umbau der Industriegesellschaft auf die Fahnen geschrieben haben.
Und natürlich sehe ich auch, dass der von mir beschriebene Ausgangspunkt – flächendeckender Mindestlohn für alle – nicht mehr ist als ein Ausgangspunkt. Ich sehe auch die Unmasse an Selbständigen und Freiberuflern, die häufig unternehmerisch deshalb tätig wurden, weil sie es mussten, nicht, weil sie es wollten. Sie fanden einfach keine Anstellung. Wir lesen und hören in den Medien von wahnsinnig originellen und kreativen Start-ups, alles hip, alles ausnahmslos erfolgreich. Das aber ist in der Realität die Ausnahme. Die Regel ist das Hangeln von Monat zu Monat, ein Leben am Limit, was eine Lebensplanung unmöglich macht. Verglichen mit diesen vielen, oft sehr gut ausgebildeten jungen Menschen ist der Frosch, der ins Milchfass fiel, geradezu glücklich: Er hatte, anders als sie, eine Perspektive. Er konnte damit rechnen, dass er – wenn er denn ausdauernd strampelte – irgendwann auf einem Butterklumpen sitzen würde. Die »Generation Praktikum« hat solche Aussichten nicht. Weil wir uns dieses Problems bewusst sind, haben wir zu Beginn des Jahres in der Fraktion Grundsätze unter der Überschrift »Sozialstaat für Selbständige, Freiberuflerinnen und Freiberufler« formuliert. Ich gebe zu, der Titel ist etwas sperrig. Der Inhalt ist es nicht.
Davon ausgehend, dass nur öffentliche und umfassende Sozialversicherungen soziale Sicherheit garantieren – Banken oder Versicherungskonzerne organisieren keinen sozialen Ausgleich –, haben wir auch für die Einbindung der vielen schutzbedürftigen Selbständigen, Freiberuflerinnen und Freiberufler in diese Systeme plädiert. Und da es regelmäßig Vorstöße gibt, diese Systeme zu liquidieren, haben wir beispielsweise erklärt: »Die Künstlersozialkasse hat sich grundsätzlich bewährt und ist auf jeden Fall aufrechtzuerhalten.« Konkret forderten wir:
Alle Selbstständigen werden in die gesetzliche Solidarische Rentenversicherung einbezogen.
Selbstständige bekommen damit Zugang zu den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung – von der Alters-, Hinterbliebenen- und Erwerbsminderungsabsicherung bis zu Reha-Leistungen. In einem ersten Schritt sollten alle bislang nicht obligatorisch versicherten Selbständigen in die Gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen werden.
Wir haben in Deutschland 3,3 Millionen Selbständige, die keine Alterssicherung haben!
Solidarische Rentenversicherung bedeutet zunächst die zeitnahe Orientierung der Beiträge an dem tatsächlichen Einkommen – statt teurer Pauschalen. Selbständige mit geringem Einkommen sollen zudem bei vollen Leistungsansprüchen nur 50 Prozent des Beitragssatzes bezahlen. Mit steigendem Einkommen erhöht sich der Beitragssatz linear bis hin zur vollständigen Selbstzahlung der Beiträge.
Die Gesetzliche Rentenversicherung erhält vom Bund zum Ausgleich für nicht vollständig bezahlte Beiträge einen entsprechenden Zuschuss. Zur Refinanzierung dieses Steuerzuschusses wird vom Öffentlichen Dienst, von Unternehmen und Organisationen, die als Auftraggeberinnen und Auftraggeber agieren, eine abzuführende Sonderabgabe auf die Honorare erhoben.
Eine solidarische Neuorganisation der Gesundheits- und Pflegepolitik ist möglich durch die Einführung einer solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung. Jeder in Deutschland lebende Mensch wird in einer gesetzlichen Kasse versichert. Alle entrichten
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