Wieder nur ein Spiel
schlechtes Licht stellte. Emily konnte sich nicht daran erinnern, ihren Eltern je Probleme gemacht zu haben, im Gegenteil. Sie war stets das fleißigste, ordentlichste und hilfsbereiteste der drei Kinder gewesen und hatte trotzdem immer nur Kritik für ihre Bemühungen geerntet.
“Keine Sorge, ich werde dich nicht lange aufhalten”, erwiderte sie schließlich angespannt. “Ich bin nur aus einem einzigen Grund hier. Ich muss dich etwas fragen, und ich hoffe, dass du mir eine ehrliche Antwort gibst.”
Lorene Davies hielt mit dem Einräumen inne und sah Emily misstrauisch an.
“Was soll das? Was willst du mich fragen?”
Emily nahm all ihren Mut zusammen und sagte schließlich geradeheraus: “Ich will von dir wissen, warum du mich nicht liebst.”
Da änderte sich Lorene Davies’ Gesichtsausdruck unvermittelt, und sie wich Emilys Blick aus. “Wieso sollte ich dich nicht lieben? Du bist manchmal wirklich eigenartig, Emily.”
“Wenn ich das bin, dann nur, weil du mich dazu gemacht hast. Ich habe ein Recht darauf, zu erfahren, warum du mich nicht magst. Ich will nur diese eine Antwort, dann lasse ich dich in Ruhe und gehe wieder.”
Lorene Davies presste die Lippen zusammen, und Emily hatte das Gefühl, als fechte ihre Mutter einen inneren Kampf mit sich aus. “Also gut”, sagte sie endlich, “wenn du es unbedingt wissen willst …” Sie atmete tief durch und verschränkte die Arme vor der Brust. “Bevor wir nach Cornwall zogen, hatte ich eine Affäre mit einem Mann, mit dem ich eine Zeit lang zusammenlebte. Dieser Mann … war dein Vater.”
Emily wurde blass. “Was hast du gesagt?”
“Das, was du wissen wolltest.” Lorene Davies blickte zum Fenster hinaus, während ihre Gesichtszüge noch härter wurden. “Er hieß Daniel Stevenson, und er war Besitzer eines großen Gestüts. Daniel versprach, mich zu heiraten, sobald meine Scheidung durch wäre, aber er änderte seine Meinung, als ich im siebten Monat schwanger war. Er riet mir, zu meinem Mann zurückzugehen, und warf mich einfach raus.”
“Das heißt, mein Vater Peter Davies ist … nicht mein Vater?” fragte Emily schockiert.
“Nein. Als ich zu ihm zurückkam, erklärte er sich bereit, dich als sein eigenes Kind anzunehmen und großzuziehen. Kurz darauf sind wir nach Cornwall gezogen, um hier einen Neuanfang zu wagen. Das ist alles.”
Emily brauchte eine Weile, bis sie begriff, was sie soeben gehört hatte. “Dieser
… dieser Daniel Stevenson … ich sehe ihm ähnlich, nicht wahr?”
“Du bist ihm wie aus dem Gesicht geschnitten”, bestätigte Lorene Davies verbittert. “Er starb vor fünfzehn Jahren bei einem Reitunfall. Ich kann nicht behaupten, dass es mir Leid getan hätte, als ich davon erfuhr. Er war ein Frauenheld. Ich habe ihn damals geliebt, aber ich war nur eine von vielen, die auf ihn hereingefallen ist.”
“Das … tut mir Leid.” Emily verstand nun, weshalb ihre Mutter so verbittert und gefühlskalt geworden war. Sie war tief verletzt, gedemütigt und verlassen worden.
“Mir auch”, bestätigte Lorene Davies resigniert. “Ich konnte nie dasselbe für dich empfinden wie für deine Schwestern. Natürlich war das alles nicht deine Schuld. Aber jedes Mal, wenn ich dich sah, musste ich an Daniel denken. Ich konnte ihm nie verzeihen, was er mir angetan hatte.”
“Danke … dass du mir die Wahrheit gesagt hast“, schaffte Emily nur noch zu sagen, bevor sie davonlief.
Ihre Schwestern wussten das alles wahrscheinlich schon lange, nur ihr, Emily, hatte man die Wahrheit verschwiegen. Warum nur, warum? Emily setzte sich auf die Treppe vor der Haustür und weinte heftig. Wenn jetzt nur Duarte hier wäre! Doch sollte sie ihm wirklich diese traurige Geschichte erzählen? Die Geschichte einer untreuen Ehefrau und eines Frauenhelden, aus deren Verbindung sie, Emily, entstanden war? Ausgerechnet Duarte, dem Treue und Familienzusammenhalt so viel bedeuteten?
In diesem Moment ging die Tür hinter Emily auf, und Lorene Davies trat heraus. “Willst du nicht wieder hereinkommen?” bot sie verunsichert an.
“Nein.” Emily stand unvermittelt auf und lief zu Duartes Wagen, der hinter der großen Hecke vor dem Haus stand. Nur weg von hier, war ihr einziger Gedanke.
“Emily, es tut mir Leid! ” rief Lorene Davies ihr noch schluchzend nach, doch Emily drehte sich nicht um. Sie konnte nicht mehr. Sie war einfach nicht in der Lage, mit dieser Situation umzugehen. Als sie den Wagen erreichte, ging die Beifahrertür
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