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Wiedergaenger

Wiedergaenger

Titel: Wiedergaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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verstohlen
umschaut.
    Â»Natürlich nicht. Außerdem ist es mehr als eine
Affäre, es ist ...«
    Liv horcht auf, aber Henny unterbricht sich und wechselt das
Thema. »Weißt du, im Grunde wünscht sich Utz nichts
mehr als die Aussöhnung mit Tönges. Er ist immer noch der
kleine Junge, der sich verlassen fühlt und sich nach einer
starken Vaterfigur sehnt.«
    Â»Interessante Art, das zu zeigen«, sagt Liv, obwohl
sie Henny insgeheim recht gibt. Utz Engel, diese Flasche. Immer
müssen andere für ihn stark sein. Weshalb zu Hause Livs
Mutter das Sagen hat und er in seinem Berufsleben als kaufmännischer
Angestellter einer Reederei den Aufstieg in Führungspositionen
konsequent zu vermeiden wusste.
    Ganz sicher wäre dieser Mensch nicht imstande, Tönges
Gewalt anzutun – oder? Angenommen, Utz und Tönges hätten
ihren Streit zu einem anderen Zeitpunkt fortgesetzt und die Situation
wäre eskaliert . Liv trinkt nun doch einen Schluck Kaffee ...
Angenommen, Utz, ein Sensibelchen zwar, aber zugleich ein kräftiger
Mann, hätte seinen Vater im Affekt geschubst oder gewürgt
oder ihm eine Weinflasche über den Schädel gezogen –
was dann?
    Wie bereits in der schlaflosen Nacht zuvor entwickelt sie absurde
Szenarien, nur um sie sogleich zu verwerfen. Was ihren Vater
entlastet: Erstens hat Utz Engel keinen Hang zum Affekt. Sie muss es
wissen. Niemand konnte ihn besser provozieren als sie im
Teenageralter. Von ihm ging keine Gefahr aus. Zweitens hätte er
im Fall einer Handgreiflichkeit mit blutigem Ausgang definitiv Hilfe
geholt. Jemand wie Livs Vater, unfähig,bei Gelb über die
Ampel zufahren, lässt keine Leichen verschwinden, verwischt
nicht die Spuren einer Straftat,jemand wie er wählt
eins-eins-null. Und drittens wäre er spätestens bei der
Befragung durch die Polizei zusammengebrochen und hätte alles
gestanden.
    Â»Noch einen Wunsch?« Wieder die Kellnerin.
    Henny, nach der Nusstorte mit sich im Reinen, winkt ab. Bei
näherem Hinsehen entdeckt Liv kleine Veränderungen am
Erscheinungsbild ihrer Großmutter: Make-up, Frisur, Kleidung,
alles entspricht dem klassischen Stil, den sie seit jeher pflegt,
wirkt aber moderner. Ein Upgrade der alten Henny. Regelrecht
attraktiv, trotz der gealterten Haut und der silbergrauen Haare.
    Â»Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, Liv: Der
Streit an Ostern ist bedeutungslos im Hinblick auf Tönges'
Verschwinden. Utz war sehr ungezogen an diesem Tag, für jeden
Einzelnen am Tisch kaum erträglich. Heute tun ihm seine Worte
leid, und dein Großvater hat sie längst vergessen. Wenn
überhaupt, haben sie ihn nur in seinem Entschluss bestärkt,
fortzugehen. Und er ist freiwillig gegangen, ganz bestimmt.«
    Â»Ich weiß. Es spricht vieles dafür.« Liv
macht eine Pause, trinkt ihren Kaffee, bemerkt, wie stark er
ist.Angenehm stark.
    Â»Mehr, als du denkst. Früher war Tönges ein
richtiger Herumtreiber.«
    Â»Wieso weiß ich nichts davon?«
    Â»Weil es vor deiner Zeit war, Liebes«, sagt Henny und
verfällt erstmals, seit Liv ihr Teegeschirr zerschlagen hat,
wieder in den gewohnten Duktus. »Ich wollte dir am Samstag
davon erzählen, aber du erinnerst dich, unsere Unterhaltung
endete etwas abrupt.«
    Â»Dann erzähl es mir jetzt, bitte.« Liv muss
schmunzeln. Ihre Großmutter ist bemerkenswert erfinderisch,
wenn es darum geht, Unangenehmes herunterzuspielen. Ganz im Gegensatz
zu ihrem Noch-Ehemann Tönges. Der ist nämlich auch gern
sehr ungezogen.
    Henny beugt sich vor und gewährt der Enkelin leise, aber
entschieden Einblick in ihre Vergangenheit. Eine Premiere. Weder hat
Liv je danach gefragt, noch hat sie von sich aus begonnen, von früher
zu sprechen. Wie Liv erfährt, hat Tönges seine spätere
Frau 1950 sitzenlassen, als er von ihrer ersten Schwangerschaft
erfuhr. Daraufhin organisierte diese einen Abtreibungstermin,
illegal, fest entschlossen, Livs Vater nicht zu bekommen. Erst
nachdem ihre Eltern versprochen hatten, sie mit dem Kind zu
unterstützen, änderte sie ihre Meinung. Drei Monate vor dem
errechneten Geburtstermin dann überraschend Tönges'
Rückkehr. Er machte Henny einen Antrag, und es wurde überstürzt
und wenig festlich geheiratet.
    Â»Diese Geschichte habe ich dem Polizeibeamten übrigens
verschwiegen, weil es mir arg unangenehm gewesen wäre, wenn ein
Außenstehender davon

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