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Wiedergaenger

Wiedergaenger

Titel: Wiedergaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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gemustert. Sie geben ein
stimmiges Paar ab, zumindest auf die Schnelle betrachtet. Man liest
es in den Gesichtern der Leute.
    Max will sie erneut küssen. Obschon es schnell kühler
wird, fühlt seine Haut sich schwitzig an.
    Â»Lass das bitte.« Sie befreit ihre Hand aus seiner und
entfernt sich ein paar Schritte.
    Â»Was ist eigentlich mit dir? Du hast Kummer, das sehe ich
doch.«
    Kein Grund, es länger vor ihm zu verheimlichen. Sie holt tief
Luft. »Tönges ist weg.« »Aha. Und wo ist er
hin?« »Das wüsste ich auch gern.«
    Sie sieht seine Verwunderung und erzählt ihm alles, inklusive
ihres Vorhabens, sich auf die Suche zu begeben. Kaum hat sie geendet,
zieht er sie fest an sich und hält sie, als würde sie Trost
brauchen. Ein Irrtum.
    Â»Max, du erdrückst mich.«
    Â»Verzeihung.« Er lockert seine Umarmung, lässt
aber nicht los und flüstert in ihr Ohr: »Ich will für
dich da sein.« Sie befreit sich. »Das musst du nicht.«
»Ich will es aber.«
    Â»Ich aber nicht, Herrgott. Ist das so schwer zubegreifen?
Und ich will auch nicht für dich da sein.«
    Das Stampfen von Schiffsmotoren in nächster Nähe lenkt
sie ab: Die Nils Holgersson, ein blau-weißes Fährschiff im
Linienverkehr zwischen Travemünde und Trelleborg, wird durch die
enge Hafenausfahrt manövriert, während sich auf den Decks
Passagiere drängen. Viele winken, und Liv winkt zurück.
Purer Trotz. Ihre Zweisamkeit soll wieder unbeschwert sein, sonst ist
bald Schluss damit.Max macht es ihr nach, benutzt zum Winken in einem
Anflug von Albernheit sogar ein Taschentuch. Die Nils Holgersson
tutet dreimal lang und einmal kurz zum Abschied. Jubelrufe an Bord.
    Sie stehen am Geländer der Mole und schauen dem Schiff
hinterher. Wie schnell es kleiner wird, so ein riesiges Schiff. Je
weiter es in das samtige Dunkel der Ostsee vordringt, desto mehr
entspannt sich das Schweigen zwischen ihnen. An Land gehen jetzt
überall die Lichter an. Blaue Stunde. Am nördlichen Himmel
ein Streifen Rosa neben dem Abendstern.
    Liv schlägt vor heimzugehen. Sie hat Hunger und Lust auf ein
gemeinsames Abendessen mit ihrem Sohn. Max willigt ein, will kurz
darauf an einer Bude auf der Promenade aber unbedingt eine Bratwurst
kaufen. Ihr Magen knurrt, als sie ihm beim Essen zusieht. Sie
bestellt Orangenbrause.
    Â»Wir sind uns ähnlicher, als du denkst«, sagt Max
unvermittelt, Spuren von Senf in beiden Mundwinkeln. »Früher
habe ich mich genauso eingekapselt. Bloß keine Gefühle
zeigen. Ich wusste nicht, ob ich überhaupt welche hatte. Ich
wollte einfach nur Karriere machen. Fünfundzwanzig Prozent
Rendite im Jahr für den Konzern rausschlagen und dabei selbst
reich werden ...«
    Liv unterbricht ihn. »Damals hast du bestimmt noch deine
Hemden gebügelt.«
    Â»Darauf kannst du wetten. Ich konnte Leute entlassen, ohne
mit der Wimper zu zucken, und meine Hemden waren stets tipptopp.«
    Â»Ich habe noch nie jemanden entlassen, und Reichtum hat mich
nie interessiert. Nie im Leben würde ich von einem
Fünfundzwanzig-Prozent-Gewinn träumen. Als
Mittelständlerin. Ich bin doch nicht bescheuert. Du siehst, die
Gemeinsamkeiten zwischen uns halten sich in Grenzen.«
    Er will widersprechen, so scheint es, ändert seine Meinung
und wird endlich los, was er ihr schon seit Monaten sagen will, davon
ist sie überzeugt: »Ich finde, wir sollten den nächsten
Schritt machen. Du und ich.«
    Â»Warum?«
    Â»Weil ich nicht ewig so weitermachen kann. Irgendwann will
ich eine Familie gründen.Am liebsten mit dir.«
    Sie möchte ihn anschreien: Wieso? Du kennst doch meine
Familie, meinen Sohn, meinen Exmann. Du müsstest wissen, dass
das nicht funktionieren wird, jedenfalls nicht für mich.
Stattdessen fängt sie ohne Vorwarnung und gegen ihren Willen an
zu weinen, aus Sorge, er könnte sie verlassen, wenn sie seinem
Wunsch nicht nachgibt. Es ist lächerlich, eben hat sie noch
selbst daran gedacht, Schluss zu machen. Sie verschränkt die
Arme vor der Brust und legt den Kopf in den Nacken, versucht die
Tränen wegzublinzeln – ohne Erfolg. Es erschreckt sie
zutiefst, dass er so viel Macht über sie besitzt, einfach nur,
weil er die Möglichkeit hat zu gehen, ohne von ihr weggeschickt
zu werden.
    Doch es kommt anders: Er entschuldigt sich. Völlig
überrumpelt und von Livs Reaktion in eine Position der

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