Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wiedergaenger

Wiedergaenger

Titel: Wiedergaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
Vom Netzwerk:
Wasserfall womöglich. Plötzlich Licht über dem
Nebel, es wird hell, geradezu gleißend, reißt aber nicht
auf. Liv steht wie in einem Kokon und ist erfüllt von Sehnsucht,
ohne zu wissen wonach.
    Als Rúnar sie bald darauf sucht und findet, mühelos,
obwohl die Sicht fehlt und sie nicht daran denkt, auf sein Rufen zu
reagieren, ist sie auf Vorwürfe eingestellt.
    Â»Ich weiß, ich hätte dich reden lassen sollen.
Ich habe Frau Reiser falsch eingeschätzt. Das war blöd.
Wahrscheinlich war es unrecht und sinnlos, sie überhaupt
aufzusuchen.«
    Endlich ein Hauch von Transparenz: Am Horizont, weit weg, zeichnen
sich Umrisse von Bergen ab.
    Rúnar nimmt ihre Hand. »Ist doch verständlich,
dass du dich an jeden Strohhalm klammerst.«
    So sieht er das also. Vermutlich zu Recht. Sie kann nichts dafür,
denkt Liv: Das Licht macht meschugge.
    Â 

Eis
    Bjarney, die gute alte Bjarney mit ihrer Heidenangst vor
Verwünschungen, hat Wort gehalten: Eine Elfe ist gekommen. Es
ist Fritzis erste leibhaftige Elfe, weshalb sie keine
Vergleichsmöglichkeiten hat.Aber sie schätzt, eine Zierde
ihrer Art ist diese hier nicht, eher eine gewöhnliche
Durchschnittselfe, unterer Durchschnitt sogar, denn sie ist weder
besonders hübsch noch beschwingt. Sind angeblich nicht alle
Elfen überdurchschnittlich hübsch und beschwingt? Nun ja,
sie will nicht meckern, immerhin liegt sie, malade, wie sie ist, in
ihrem eigenen Bett, bekommt Kraftbrühe eingeflößt –
und erstaunlich viel Besuch von Leuten, die eigentlich längst
tot sind: Da sind Jón, die verrückte Finna, ihre eigene
Mutter, die kleine Schwester, die nur drei Jahre alt wurde, ein süßes
Ding, auch nach all den Jahren als Geist noch, und Tante Gerda von
Fehmarn. Gesprächig sind sie nicht, die Gäste von drüben,
sondern sitzen nur da, halten ihre Hand und nicken ab und zu
gewichtig. Fritzi selbst weiß auch nichts zu erzählen, und
die naheliegenden Fragen, ob Sterben schlimm ist und was genau nun
eigentlich danach kommt, mag sie nicht stellen, weil sie befürchtet,
die Antworten könnten ihr missfallen. Also schweigen sie.
    Trotzdem ist es schön.
    Was sie beruhigt: Der Enkel ist nicht unter den Besuchern. Ebenso
wenig ihr geliebter Bruder. Unfassbar, wie sehr sie ihn immer noch
vermisst. Jeden einzelnen Tag.
    Ansonsten schläft sie viel.
    Eines Tages wird sie von einem Dröhnen geweckt, und als sie
die Augen aufschlägt, stellt sie fest, dass ihre Tochter sich im
Raum befindet und den Bettvorleger absaugt, adrett in Pumps und
Tweedkostüm. Fritzi erschrickt. Wie kommt die denn hierher mit
ihren Stadtklamotten?
    Â»Was soll der Lärm?«, fragt Fritzi, doch ihre
Stimmbänder sind eingerostet, sie krächzt mehr, als sie
spricht, weshalb sie warten muss, bis der Staubsauger abgeschaltet
wird, um sich bemerkbar zu machen.
    Â»Was bringt dich bloß auf die Idee, hier zu putzen?«
    Die Tochter, die gerade im Begriff ist, den Raum zu verlassen,
zuckt zusammen. Der Sauger entgleitet ihren Händen, ungeschickt,
wie sie ist. Sie stürzt ans Bett und ergreift Fritzis Hand.
»Mutti, du bist ja wach. Und es geht dir besser.«
    Händchen halten mit Toten ist etwas ganz anderes als mit der
eigenen lebendigen Tochter. Fritzi ist beklommen.
    Â»Es geht mir hervorragend«, behauptet sie.
    Â»Wie schön.«
    Das Mädchen, einst gegen Liebkosungen geradezu allergisch,
drückt die Hand ihrer Mutter noch fester, mit der anderen
streicht sie ihr eine Haarsträhne aus der Stirn, noch bevor
Fritzi dagegen protestieren kann. Insgeheim ist sie froh darum.
Friedvolle Sekunden verstreichen, bevor genau gleichzeitig ein Ruck
durch ihre Körper geht.
    Â»Dann will ich mal das Mittagessen aufwärmen«,
sagt die Tochter. »Damit du wieder zu Kräften kommst.«
    Es gibt Hühnersuppe.Angeblich nach ihrem eigenen Rezept, was
sie nicht im Geringsten herausschmeckt. Die Tochter ist keine
versierte Köchin. Hat sie ja auch nicht nötig, mit ihrem
Talent für die
    Wissenschaft.
    Â»Hab ich dir schon erzählt, wie ich die Hühnersuppe
nach Island gebracht habe?«
    Â»Hast du, Mutti. Schon oft.«
    Â»Die kannte man hier vorher gar nicht.«
    Â»Ich weiß.«
    Â»Wenn ein Huhn keine Eier mehr legte, wurde es geschlachtet
und einfach vergraben, die dachten alle, das wäre schlechtes
Fleisch. Bis ich eins heimlich wieder ausgegraben und Suppe

Weitere Kostenlose Bücher